Williston, ein kleines Nest im US-Bundesstaat Florida. Joshua Brown (40), Chef einer Technologiefirma, surrt mit seinem Tesla Model S im Autopilot-Modus auf eine Kreuzung zu. Den von links querenden Truck sieht er offenbar nicht, oder er verlässt sich auf die Intelligenz seines Elektroflitzers. Doch diese Situation kann der Computer, der Brems- und Lenkmanöver ausführt, nicht erfassen: Der Wagen schießt ungebremst unter dem Anhänger durch, mäht mit zerfetztem Dach zwei Zäune nieder und kommt erst nach einer Kollision mit einem Strommast in einer Wiese zu stehen.
Der Mann im Cockpit, der früher bei den Navy Seals Bomben entschärfte, ist sofort tot. Augenzeugen berichten, dass am großen Display noch ein „Harry Potter“-Film gelaufen sein soll.
Der tragische Crash, der sich schon im Mai ereignete hatte und erst in der Vorwoche bekannt wurde, sorgt für Unruhe in der Autobranche und löste eine intensive Debatte aus. Erstmals war ein Mensch in einem teilautonomen Auto ums Leben gekommen. Für eine der wichtigsten industriepolitischen Innovationen des 21. Jahrhunderts ist es ein herber Rückschlag. Die Kritiker, die stets vor zu großer und verfrühter Euphorie rund um das selbstfahrende Auto warnten, sehen sich bestätigt: Die Systeme, die dem Blutzoll auf den Straßen ein Ende bereiten sollen, sind in der Praxis noch keineswegs so ausgereift, wie es in der Öffentlichkeit vonseiten der Medien und der Politik, aber wohl auch von Herstellern oft vermittelt wird.
Wie konnte der Unfall passieren? Wer trägt die Schuld, Mensch oder Maschine? Tesla, der strahlende Elektropionier, der sich auch als Vorreiter am Weg zum autonomen Auto positioniert, steht nicht gut da. Gründer Elon Musk wird vorgeworfen, seinen Kunden mit dem verheißungsvollen „Autopilot“ die Erwartung einer weitgehend fehlerfreien Technik zu suggerieren, die - obwohl noch in einer Testphase - schon Ansprüche der selbstfahrenden Autos erfüllt. Nur so ist es zu erklären, dass zuletzt im Internet immer wieder Videos mit schlummernden oder zeitungslesenden Fahrern kursierten, die sich vom Autopiloten über die Autobahn leiten ließen.
Fakt ist aber auch, dass Tesla seine Kunden dazu automatisch ermahnt, die Hände doch für den Fall des Falles am Lenkrad zu haben. Joshua Brown tat es offenbar nicht. In Verkehrssituationen wie bei dem Crash ist die von der israelischen Softwarefirma Mobileye verbaute Technik jedenfalls überfordert. Das aktuelle Fahrassistenz-System ist lediglich für Front- und Heckkollisionen ausgelegt, für den Kreuzungsbereich gibt es noch keine praxistauglichen Sensoren. Querende Fahrzeuge sollen erst ab 2018 erkennbar sein. Bei Tesla wird vermutet, dass Auto wie Fahrer die weiße Plane des Anhängers im hellen Sonnenlicht mit dem Himmel verwechselt haben könnten oder für ein hoch hängendes Straßenschild gehalten haben.
Die US-Verkehrsaufsicht ermittelt. Es ist nicht auszuschließen, dass Tesla Zehntausende Autos zurückrufen muss. Der Unfall ist ein Warnschuss für alle anderen Hersteller, die längst auch teilautonome Systeme im Einsatz haben. Dass Google mit seinem Prototypen schon in zahlreiche Unfälle verwickelt war, ist kein Geheimnis.
Im Rennen um das erste vollkommen autonom fahrende Auto sieht sich derzeit BMW in der Poleposition. Wenngleich Vorstandschef Harald Krüger zur Vorsicht mahnt, will er zusammen mit dem US-Chipkonzern Intel und Mobileye 2021 einen selbstfahrenden BMW zur Serienreife bringen und Standards schaffen. Experten sind skeptisch: Es geht um die Erfassung von Milliarden von Verkehrssituationen, um die Entwicklung einer völlig neuen Sensortechnologie, um rechtliche und ethische Fragen, um die Verantwortung der Politik. Zehn Jahre seien eine optimistische Einschätzung. Eine Meinung, die man kürzlich auch noch bei Mercedes vertrat.