Wir schreiben das Jahr 2016. Ein paar wenige Großkonzerne haben sich die ganze Welt des Automobils untereinander aufgeteilt. Die ganze Welt? Nein, denn es gibt ein kleines Dorf im Süden Kaliforniens, das erfolgreich Widerstand leistet – Wetten, dass jetzt jeder zweite Palo Alto im Kopf hat?

Doch weit gefehlt. Die dort beheimatete Firma Tesla Motors ist schon zu groß, zu alteingesessen und muss sich mittlerweile mit weltlichen Dingen wie Fertigungsproblemen beim Model X oder glosenden Model S an Superchargern herumschlagen, um noch als kleine Revoluzzerbude durchzugehen.

Der elektrische Supersportwagen soll die Marke bekannt machen
Der elektrische Supersportwagen soll die Marke bekannt machen © FARADAY FUTURE

Die wahren Gallier der Autowelt heißen nämlich Faraday Future, werkeln in einem Vorörtchen von Los Angeles, haben sich in einem ehemaligen Fabriksgebäude von Nissan eingenistet und wachsen knapp zwei Jahre nach ihrer Gründung immer noch stetig. Nach 18 Monaten haben sie schon mehr als 550 Mitarbeiter, in einem Jahr sollen es schon doppelt so viele sein.

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Faraday hatte im Dezember auf sich aufmerksam gemacht und verkündet, ein Werk im Wert von einer Milliarde Dollar (920 Millionen Euro) in der Wüste von Nevada zu bauen, wo 4500 Arbeitsplätze entstehen sollen.

Aber was sollen die Mitarbeiter dort genau tun? Tja, das fragte sich bisher nicht nur Tesla. Die Dorfmauern sind hoch, bis zur Enthüllung des viermotorigen Elektrorennwagens FF Zero 1 Concept mit mehr als 1000 PS auf der CES diese Woche gab es nicht einmal Prototypen zu sehen. Und auch wer die Geldgeber hinter dem Start-Up sind, war bisher ein gut gehütetes Geheimnis.

Am Rand der CES bestätigte das Unternehmen jetzt, dass zu seinen Investoren der chinesische Milliardär Jia Yueting gehört, der Chef des populären chinesischen Videodienstes LeTV. Faraday und LeTV hätten eine strategische Partnerschaft geschlossen und wollten bei der Produktion zusammenarbeiten, bei der On-Board-Unterhaltung oder dem autonomen Fahren, hieß es.

Mit der Studie des FF Zero 1 betrat Faraday Future auf der CES die Weltbühne
Mit der Studie des FF Zero 1 betrat Faraday Future auf der CES die Weltbühne © FARADAY FUTURE

Und: Ein Elektrofahrzeug soll schon in zwei Jahren marktreif sein, wie Entwicklungschef Nick Sampson sagte. "Wir sind sehr schnell." Faraday werde mehr wie eine Technologiefirma geführt, nicht wie ein Autounternehmen. "Man braucht keine 100-jährige Tradition, um zu definieren, wie die nächste Generation der Mobilität aussieht", gab sich der Top-Manager betont forsch bei der Präsentation in Las Vegas.

Die Benennung nach dem englischen Forscher und Entdecker der elektromagnetischen Induktion Michael Faraday könnte vermuten lassen, die Jungs würden ihren Kollegen von Tesla (die ihren Namen ebenfalls von einem europäischen Forscher, nämlich Nikola Tesla haben) einfach alles nachmachen. Doch weit gefehlt.

Der Rennwagen soll mit seinen 1000 PS in weniger 3 Sekunden die 100 knacken
Der Rennwagen soll mit seinen 1000 PS in weniger 3 Sekunden die 100 knacken © FARADAY FUTURE

Faraday Future will zwar auch Elektroautos bauen. Wahrscheinlich werden sie aber nicht viel mit dem in Las Vegas gezeigten, einsitzigen Rennwagen mit Leichtbau-Karosserie zu tun haben, doch für Schlagzeilen ist die futuristische Flunder, die in weniger als 3 Sekunden von 0 auf 100 stürmen soll, allemal gut.

Sie planen aber auch, das Besitzmodell rund um das Auto zu revolutionieren. Oder wie es der Entwicklungschef Nick Sampson in einem Interview auf den Punkt brachte: „Früher waren wir gewohnt, Musik zu kaufen. Heute abonnieren wir sie.“

Das Cockpit des einsitzigen Renners hüllt den Fahrer ein
Das Cockpit des einsitzigen Renners hüllt den Fahrer ein © FARADAY FUTURE

Was Sampson damit meint, ist klar: Ein Auto zu kaufen, ist so etwas von 2015. Natürlich werde Faraday Elektroautos anbieten, aber der Kunde kann die Autos auch nur „abonnieren“, sich je nach Bedarf also ein passendes Modell holen. Im Alltag zum Beispiel einen Stadtflitzer, am Wochenende vielleicht einmal ein Cabrio und für den Urlaub einen geräumigen Kombi. Das ist eine mögliche Zukunft der Mobilität.

Sampson stand übrigens bis vor nicht allzu langer Zeit noch im Sold von Tesla. Auch andere Führungskräfte wie Produktionsvorstand Dag Reckhorn, Personalmanager Alan Cherry und Chefeinkäufer Tom Wessner sind von Tesla Motors bereits zu Faraday Future abgewandert. Richard Kim, der Designer von BMWs i3 und i8, steht jetzt ebenso bei diesem Start-Up unter Vertrag. Auch bei Apple, Google, Boeing oder SpaceX hat man fleißig abgeworben.

Die Führungsetage: Produktionsvorstand Dag Reckhorn, Entwicklungschef Nick Sampson und Designer Richard Kim (von links)
Die Führungsetage: Produktionsvorstand Dag Reckhorn, Entwicklungschef Nick Sampson und Designer Richard Kim (von links) © FARADAY FUTURE

Das Team soll jetzt in der Nähe von Torrance in L.A. County auf einem blumigen Campus quer denken. Zum Beispiel beim Thema autonomes Fahren: Faraday möchte hier den nächsten Schritt gehen, obwohl das selbstfahrende Auto noch nicht einmal Realität ist (und gerade erst in Kalifornien wieder massiv in seiner Selbstständigkeit beschränkt wurde): Das Auto soll wie ein Smartphone Vorlieben und Bedürfnisse des Benutzers und seiner Fahrgäste lernen. Wissen, welche Orte der User gerne ansteuert, und so weiter. Kurz: Ein abonniertes Wohnzimmer auf Rädern zur angeregten Interaktion mit Leuten im und um das Auto herum.

Um dies bis 2020 zu realisieren, bedarf es bei den Galliern wohl eines riesigen Schlucks Zaubertrank, denn glaubt man den eingangs erwähnten Großkonzernen, wird sich vor 2030 im Bereich des selbst fahrenden Autos nicht viel abspielen. Aber andererseits war es schon immer die erfolgreiche Taktik der Gallier, ihre Gegner zu verwirren, um dann umso unerwarteter zuzuschlagen – zumindest in Comic-Heften.