Ich mag Menschen mit Mut und Visionen. Und wenn einer auf die Idee kommt, ein Auto zu bauen und das auch noch bis zur letzten Schraube durchzieht wie beim Ineos Grenadier – in Zeiten wie diesen – ist das alles andere als eine g‘mahte Wies‘n. In der Kurzfassung: Sir Jim Ratcliffe, der hinter dem Projekt steht, wollte sich mit dem Defender-Aus nicht abfinden – und entschloss sich kurzerhand der Welt zu zeigen, wie man ein Auto für das Gelände, für das ultimative Abenteuer selber baut.

Legende um den Ineos Grenadier

Der Legende nach reifte die Idee bei Ratcliffe länger, die Skizzen zum Auto entstanden im Grenadier-Pub in London. Ratcliffe beschrieb und zeichnete auf, was so ein Auto können muss. Die Magna Steyr in Graz fungierte als Entwicklungspartner, da kommt diesmal mein Beifahrer beim Test, Hans-Peter Pessler ins Spiel. Als sich der Grenadier-Produktions-Anlauf in Hambach schwierig gestaltete, war Pessler als Problemlöser so gut, dass Ratcliffe ihn vom Fleck weg engagierte.

Es ist unglaublich, wie stabil der Grenadier gebaut ist. Wie man ihn aufs Gelände einstellen kann. Und wie er bei unserem Test auf einem Hügel einparkt, auf dem du andere Autos schon abschleppen müsstest. Sperren, Starrachsen, extreme Verschränkung, Verteilergetriebe mit permanentem Allradantrieb mit Sperren an Hinterachse und Vorderachse, das Auto ist fürs Grobe. Das Außergewöhnliche dabei: Der Komfort, der im Auto verblieben ist, da bleibt er der Sanfte. Fürs Grobe, versteht sich.

Bärenstark oder wie ein Büffel: Ineos Grenadier

Einziges Manko: Die Lenkung. Aus der Nulllage wenn ich einlenke, da spürt man, dass das Auto für das harte Gelände konzipiert wurde. Ich muss auf der Straße aus der Nulllage ganz schön einlenken, damit sich überhaupt etwas tut. Dann ist sie aber präzise, dann passt‘s. Aber Hans-Peter Pessler hat schon angekündigt, dass man auch an einer neuen Lenkung arbeitet.

Die Motoren stammen von BMW, die Achtgangautomatik von ZF, der Benziner ist bärenstark, der Diesel ist ein Büffel, für mich kommt sowieso nur ein Diesel in Frage. Der Rahmen und die massive Bauweise, notwendig für die Dauerfestigkeit, haben freilich den Nachteil, dass du viel Gewicht mit dir herumschleppst. Aber kein Geländewagen-Liebhaber will liegenbleiben, wenn er sich weit vorwagt: Auch dieser Kompromiss im Sinne der Verlässlichkeit und Unverwundbarkeit ist logisch.

Als einziger Automobilhersteller hat man eine Seilwinde ab Werk eingebaut, mit der du andere retten kannst – oder dich selbst. Soll ja vorkommen. Das Cockpit schaut aus wie in einem Hubschrauber, in der neuen, digitalen Welt würde man das ganze Konzept als Open Source Projekt bezeichnen. Egal, ob als Camper, als Expeditionsfahrzeug oder als Jagdfahrzeug, man kann den Grenadier, den es heute in verschiedenen Versionen ab Werk gibt, auch nach persönlichen Vorlieben aus- und weiterbauen.

Ineos Grenadier, die moderne Interpretation

Das Design ist eckig und praktisch und auch hier voll aufs Gelände und auf die Übersicht fokussiert: Der Grenadier ist so entwickelt, dass man auch das rechte Eck vom Auto (ja, es ist ein Eck) im Auge hat und man so weit wie möglich außen sitzt, damit man an der geraden Seitenwand immer seitlich den Überblick behält, wenn du im Gelände auf Millimeter fährst und rausschaust. Denkst du ein Auto so an, hast du keine andere Möglichkeit: Es wird ein rechteckiger Bau.

Der Grenadier ist die gelungene, moderne Interpretation eines Landrovers und führt diese Ebene der Geschichte fort. Das Design folgt dem Gebrauchswert, das Cockpit schaut sehr technisch aus, aber das gefällt mir besser als ein Dutzend Bildschirme. Sogar das Detail, dass die Knöpfe ein bissl pummelig sind, stört mich nicht – so kann man sie mit Handschuhen besser fassen. Bei allem Geländefokus kann ich aber mein Leben mobil leben. Übrigens: Es ist sehr hilfreich, wenn man 1,95 Meter groß ist, wenn man ein- und aussteigt. Der Grenadier ist ein hohes Tier.