Es war lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Der elektrische Renault Scenic setzte sich letztlich mit dem Konzept eines kompakten elektrischen SUVs durch. Was für den Renault gesprochen hat: Gutes Fahrgefühl, Komfort, Qualität, man nützt auch Android Automotive von Google (Sprachsteuerung, Maps).
Auf den Plätzen: BMW 5er (308 Punkte), Peugeot 3008 (197), Kia EV9 (190), Volvo EX30 (168), BYD Seal (131) und Toyota C-HR (127).
„Car Of The Year“
Es war das härteste Auswahlverfahren und der Titel „Car Of The Year“, Auto des Jahres, ist der prestigeträchtigste Preis der Branche: 58 Journalisten aus ganz Europa testen und wählen. Der Wahl ging ein Testmarathon voran.
Erste Station war der Tannis-Test in Dänemark. Hier standen Dutzende Modelle auf dem Prüfstand. Vom standardisierten Elchtest (Ausweichmanöver etc.) bis zum Durchleuchten der Sicherheitsassistenten (Notbremssysteme etc.) wurden die Fahrzeuge auf Herz und Nieren geprüft. Unter anderem auf einem abgesperrten Flugfeld. Für die Notbremsassistenten zum Beispiel gibt es eigene Hindernisse, auf die man zufährt – und so wird ausgelotet, bis zu welcher Geschwindigkeit die Systeme wirklich funktionieren und vor allem wie gut. Hier wurde eine objektivierbare Grundlage für die Entscheidung zum „Auto des Jahres“ aufgebaut.
Aus diesen Erfahrungen und weiteren Testfahrten wurden die sieben Finalisten ermittelt. BMW 5-Serie, BYD Seal, Kia EV9, Peugeot E-3008/3008, Renault Scenic, der Toyota C-HR sowie der Volvo EX30 standen im Finale und kommen bei weiteren Testfahrten wie in Mortefontaine (im Norden von Paris) zum Einsatz.
Das waren die Finalisten:
Hohe technische Reife
BMW-5er-Serie: Die Spannweite der technischen Reife, das Fahrgefühl – erstklassig. Technisch hat man die 5er-Serie auf ein extrem hohes Niveau gebracht – Stichwort autonomes Fahren, das dort, wo es erlaubt ist, bis Tempo 100 funktioniert. Sogar ein Spurwechsel über Blickbestätigung ist möglich. Aus Steyr kommt viel technisches Know-how für die 5er-Serie. Man hat Hybride, Diesel und die E-Versionen im Programm, auch einen elektrischen Kombi, das passt zum Zeitgeist. Beim elektrischen 5er fehlt noch die 800-Volt-Technologie. Der Preis der 5er-Serie bleibt freilich das Manko.
Das überrascht
BYD Seal: Erstmals steht ein chinesischer Hersteller im Finale. Sehenswertes Design trifft auf das wohl beste und schnellste Infotainment, die Chinesen sind bei der Software top, die Sprachsteuerung (bei den Tests noch englisch) blitzschnell. Auch die Verarbeitung und die Materialien im Innenraum überraschen. Fahrerisch zeigt die Traktionskontrolle beim Stabilitätsprogramm Schwächen, das Heck schwanzelt, wenn man zu beherzt aufs Fahrpedal draufsteigt. Da wird man nachbessern müssen. Und man reizt den batterietechnischen Vorsprung noch nicht voll aus, es fehlt zum Beispiel die 800-Volt-Technologie.
Eine rollende Powerbank
Kia EV9: Ein Trumm von einem Auto, mit 5,01 Metern für Europa fast eine Nummer zu groß, man misst 3,1 Meter Radstand. Aber dafür erstaunlich gut zu handeln. Mit 800-Volt-Technologie. Das Beste am Auto aber: Der EV9 ist das missing link in der Elektromobilität. Das Auto ließe sich – wenn es erlaubt wäre – schon als Stromspeicher für Haus und Wohnung nutzen. Man könnte theoretisch Energie aus Photovoltaik im Auto speichern und für das Haus nutzen. Eine rollende Powerbank, sozusagen. In Holland laufen die ersten Tests, wie das funktionieren könnte.
Die Neuerfindung
Peugeot E-3008/3008: Es ist die Neuerfindung des 3008, größer, mächtiger. Der Innenraum, einfach sehenswert. Das Panoroma-i-Cockpit schmiegt sich mit einer neuen, schwebenden Mittelkonsole um den Fahrer. Zwei Varianten: Der Hybrid, der ein bisschen brustschwach wirkt und Wankneigungen zeigt (aber gutmütig beim Untersteuern bleibt), sowie der voll elektrische 3008er, der auf der Teststrecke wesentlich trittsicherer bleibt und firm wirkt.
Der richtige Ton
Renault Scenic: Hat mit BMW (Hans Zimmer!) den besten Elektrosound, komponiert von Jean-Michel Jarre. Handlich, kompakt, 4,47 m lang, und trotzdem mit enorm viel Platzangebot, ein echter Pluspunkt. Relativ leise im Innenraum. Google hat das Infotainment übernommen, dementsprechend ist es schnell und einfach zu bedienen. Aber: Wieder ein SUV und keine 800-Volt-Technik.
Sozial verträglich
Toyota C-HR: Überraschend statt dem Plug-in-Hybrid Prius im Finale. Kommt als Hybrid und Plug-in-Hybrid in verschiedenen Motorvarianten. Der schwächste Vollhybrid (1,8-l-Benziner, 140 PS) müht sich mit dem Getriebe hörbar. Beim 2-l-Vollhybriden wird‘s schon besser. Favorit bleibt der Plug-in-Hybrid, der die Technik des Prius nutzt und für gute Verbrauchswerte steht. Sozial verträglicher Cross-over (SUV-Style, 4,36 m lang), straffer abgestimmt als erwartet.
Erstaunliches Detail
Volvo EX30: Der elektrische Schwede, der aus China kommt – mit einem ganz erstaunlichen Detail. Im Auto gibt es keine klassischen Instrumente mehr, sondern lediglich mittig einen Hochkant-Bildschirm, über den alles gesteuert wird und ablesbar ist. Auch die Geschwindigkeit sieht man nur hier. Was schwierig ist, weil man den Kopf immer leicht nach rechts wenden muss. Erstaunlich ob des Volvo-Credos, dass man die sichersten Autos der Welt bauen möchte. Ein Head-up-Display ist aber aufgrund des Soundsystems nicht möglich.
Im europäischen Jury-Team ist Österreich mit drei Juroren vertreten: Susanne Hofbauer (Autorevue), Horst Bauer (Kurier) und Didi Hubmann (Kleine Zeitung).