Porsche hat es heuer zum 75er ordentlich krachen lassen. Aber auch der 911er feierte heuer Geburtstag. Es galt den 60er des wichtigsten Modells der Marke zu zelebrieren. Die Sportwagenfirma tat dies gebührend und lautstark, mit weltweiten Events und Feierlichkeiten in Zuffenhausen, Gmünd und Laguna Seca.
Zum finalen Tusch hatte das Porsche Museum die Tore besonders weit geöffnet und ausgesuchte und wegweisende Preziosen in Richtung Großglockner in Bewegung gesetzt. Zu einer Schlussbesprechung sozusagen und einer Einordnung der begehrtesten Objekte, die den Kult um den Neunelfer begründeten und dem Zeitgeist meist eine Wagenlänge voraus waren.
Bei der Zeitreise durch sechs Jahrzehnte und acht Generationen gibt es auch einige wesentlichen Fragen zu beantworten. Zum Beispiel: Welcher aus welcher Generation war nun der Schönste, Betörendste, Kostbarste, Zukunftsweisendste? Welchen sollte man als Sammlerstück in der Garage stehen haben? Und, ganz am Ende: Welcher – all over – ist der Beste, der endgültige Porsche 911?
In diesen Fällen ist es hilfreich, einen Mann an der Seite zu haben, der diesbezüglich ziemlich firm ist. Walter Röhrl wuchs mit dem Porsche 911 auf und ist seit drei Jahrzehnten auch das Gesicht der Marke: viele Jahre als Rennfahrer, dann als Testfahrer.
Gallionsfigur und Repräsentant. Die wesentlichen Porsches der letzten Generationen kennt er wie seine Westentasche, sie tragen seine Handschrift: Der Sanktus des zweimaligen Rallye-Weltmeisters bei der Endabnahme war ein fixes Ritual.
Natürlich müssen wir über den Ur-Elfer von 1963 reden. Röhrl: „Der erste Porsche 911 war natürlich eine Sensation, aber er war ein Hund, weil er gravierende Schwächen hatte, die erst Ferdinand Piëch durch technische Veränderungen beseitigte. Heute stehen die S-Modelle ab 1968 bei Sammlern hoch im Kurs, da reden wir von 200.000 Euro. Wobei das Highlight der ersten Generation freilich der superleichte und rare 911 Carrera 2.7 RS von 1972 war. Mit ihm begann bei Porsche die Rennsport-Ära, er hat Ikonen-Status und wird aktuell um eine halbe Million Euro gehandelt.“
Die zweite Generation, intern G-Serie genannt und gebaut von 1973 bis 1989, gilt unter Nostalgikern und Feinspitzen als Traum-Porsche. Röhrl: „Technischer Höhepunkt war der 911 Turbo. Er war der erste Serienturbo der Welt, hatte 260 PS und Bremsen vom Porsche 917.“ Der blitzartig einsetzende Turboschub brachte ihm die wenig schmeichelhafte Bezeichnung Witwenmacher ein.
In der dritten Generation (1989–1994) veränderte Porsche den 911er grundlegend. Er war Riesenschritt nach vorne, 85 Prozent der Teile wurden neu entwickelt, erstmalig kam der Neunelfer auch mit Allradantrieb auf die Straße. In der vierten Generation (1994–1998) brachte eine Mehrlenkerhinterachse eine dramatische Verbesserung der Fahrdynamik, dazu verabschiedete man sich vom luftgekühlten Boxer. Eine Zäsur. Das Thema der fünften Generation (1998–2005) war die Wasserkühlung des Motors, die sechste Generation (2004–2012) brachte die klassischen runden Hauptscheinwerfer zurück. Röhrl: „Der Typ 997 ist vielleicht der schönste Porsche überhaupt.“
In der siebenten Generation (2011–2019) bekam der 911er einen größeren Radstand und eine breitere Spur, die Antriebe der Carrera und GTS-Modell wurden von Saug- auf Turbomotor umgestellt. Das Spitzenmodell 911 GT2 RS leistet brachiale 700 PS. In der achten und aktuellen Generation (ab 2019) stellt der Typ 992 die Weichen für eine zumindest teilelektrifizierte Zukunft. Im heurigen Jubeljahr lässt Porsche die limitierten Neunelfer Sondermodelle Dakar und S/T vom Stapel – beide sind längst ausverkauft.
Was bringt Röhrl immer noch zum Staunen? „Der Status. Die ewige Begehrlichkeit. Die Wertbeständigkeit. Und dass jeder neue Porsche 911 der beste aller Zeiten ist.“
Eine Bestenliste hat Röhrl auch: „Der aktuelle Porsche Turbo ist die eierlegende Wollmilchsau. Und der neue S/T ist der endgültige Neunelfer, purer geh‘s nicht mehr.“
Übrigens: Röhrls klimatisierte Garage im bayrischen Wald wird derzeit von sieben Porsches bewohnt, fünf davon sind Oldtimer, der wertvollste ist ein 911 RS Baujahr 1993. Knapp vor Weihnachten wird sein Dakar geliefert, bald einmal nach Jahresbeginn sollte sein S/T eintreffen. Es gibt schlechtere Möglichkeiten, sein Geld anzulegen.
Gerhard Nöhrer