Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat mit Zustimmung auf US-Berichte reagiert, wonach Präsident Joe Biden der Ukraine den Einsatz weitreichender Raketen gegen bestimmte Ziele in Russland erlaubt. Es gehe jetzt darum, "dass die Ukrainer nicht warten müssen, dass die Rakete über die Grenze fliegt, sondern dass man die militärischen Abschussbasen, dass man von dort, wo die Rakete geflogen wird, dass man das zerstören kann", sagte Baerbock am Montag im rbb Inforadio.
Dies sei im Rahmen des Selbstverteidigungsrechts jedes Landes. Es sei schon lange bekannt, dass die deutschen Grünen, "das genauso sehen wie unsere osteuropäischen Partner, wie die Briten, wie die Franzosen und auch wie die Amerikaner".
Manche Orte in der Ukraine seien so dicht an der Grenze zu Russland, dass die Luftverteidigung nicht helfe, weil die Rakete viel zu schnell einschlage, sagte Baerbock. "Wenn auf unser Land Raketen, Drohnen, Bomben fallen würden, wenn Kinderkrankenhäuser angegriffen werden würden, wenn die Stromversorgung angegriffen wird, wenn einfach unser ganz normales Leben angegriffen worden wäre, dann würden wir uns auch verteidigen."
Abgeordnete von Putin-Partei warnt vor Drittem Weltkrieg
Medienberichten zufolge erlaubt der scheidende US-Präsident Biden der Ukraine den Einsatz ATACMS-Raketen zur Verteidigung der ukrainischen Streitkräfte in der von ihnen besetzten westrussischen Region Kursk. Das Pentagon und der Nationale Sicherheitsrat der USA wollten die Berichte auf Nachfrage zunächst nicht kommentieren, dementierten diese aber auch nicht.
Aus Russland kamen indes Warnungen vor einer Eskalation bei einem ukrainischen Einsatz von US-Waffen mit längerer Reichweite. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden riskiere einen Dritten Weltkrieg, sollte sie der Ukraine erlauben, mit solchen US-Waffen Ziele tief in Russland anzugreifen, sagte die russische Parlamentsabgeordnete Maria Butina am Montag. Die Biden-Administration versuche, die Lage zu eskalieren, solange sie noch an der Macht sei.
Butina betonte, sie habe die große Hoffnung, dass der designierte künftige US-Präsident Donald Trump diese Entscheidung, sollte sie getroffen worden sein, rückgängig machen werde. Denn sie riskiere "ernsthaft den Beginn eines Dritten Weltkriegs, der in niemandes Interesse ist", sagte Butina, die 15 Monate wegen Agententätigkeit in den USA im Gefängnis verbrachte und nun für die Regierungspartei Einiges Russland Duma-Abgeordnete ist, zu Reuters. US-Regierungskreisen zufolge haben die USA der Ukraine den Einsatz von US-Raketen mit längerer Reichweite erlaubt. Die russische Regierung hat sich bisher nicht dazu geäußert, hatte aber früher erklärt, ein solcher Schritt wäre eine Eskalation.
"Blutiger Joe"
Mit Leonid Sluzki warnte ein weiterer russischer Außenpolitiker vor einer Eskalation. "US-Raketenangriffe tief in russischen Gebieten werden unweigerlich zu einer größeren Eskalation führen, die droht, noch weitaus ernstere Folgen nach sich zu ziehen", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma im Gespräch mit der staatlichen Moskauer Nachrichtenagentur TASS. Sollte sich die Information bestätigen, sagte Sluzki, dann werde Russland aufs Schärfste reagieren.
US-Präsident Biden habe entschieden, sich als "Blutiger Joe" aus dem Amt zu verabschieden und so in die Geschichte einzugehen. Biden mache es seinem designierten Nachfolger Donald Trump nicht nur schwerer, den Krieg in der Ukraine zu beenden, sondern auch eine globale Konfrontation zu verhindern. Bestätigt werde dadurch auch einmal mehr, dass die USA direkt beteiligt seien an dem Krieg in der Ukraine, sagte Sluzki.
Hintergrund zum Thema
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte auf frühere Stellungnahmen von Machthaber Wladimir Putin zur möglichen Freigabe der Waffen verwiesen. Auch er hatte wiederholt vor einer neuen Eskalation in dem Krieg gewarnt, sollte das passieren. Die Ukraine sieht die Waffen dagegen als Teil ihres "Siegesplans" in dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der an diesem Dienstag 1.000 Tage andauert.
Kiew will ATACMS-Raketen schon seit Monaten einsetzen
Putin hatte Mitte September gewarnt, dass eine Zustimmung des Westens zu einem solchen Schritt "die direkte Beteiligung der NATO-Staaten, der USA und europäischer Länder am Krieg in der Ukraine" bedeuten würde, da die militärische Infrastruktur und das Personal der NATO in die Zielsetzung und das Abfeuern der Raketen involviert sein müssten. Ende Oktober sagte Putin, dass sich das russische Verteidigungsministerium auf mehrere Reaktionsmöglichkeiten vorbereite.
Die Ukraine fordert eine solche Freigabe schon seit Monaten. Den US-Regierungskreisen zufolge geht es um ATACMS-Raketen, die eine Reichweite von etwa 300 Kilometern haben. Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Regierungskreise, die Raketen würden wohl zunächst gegen russische und nordkoreanische Soldaten in der russischen Oblast Kursk eingesetzt werden. Demnach traf die US-Regierung die Entscheidung als Reaktion auf den Einsatz nordkoreanischer Soldaten auf russischer Seite.