Zunächst ist es nur ein Foto, das am Donnerstagabend in den sozialen Medien kursiert: Auf der Aufnahme ist der staubbedeckte Körper eines Mannes mit einer schweren Kopfverletzung zu sehen, rund um ihn liegen Schutt und Trümmer eines eingestürzten Hauses. Am Abend kam dann die Bestätigung der Israelis: Der Tote sei Hamas-Chef Yahya Sinwar.

Die Hinweise verdichten sich

Nach einem DNA-Test und einem Zahnabgleich berichteten schon israelische Medien mit Berufung auf Offizielle schließlich, dass der Chef der im Gazastreifen herrschenden Terrororganisation tot ist. Der 62-Jährige soll nicht bei einem gezielten Einsatz ums Leben gekommen sein, sondern bei einem zufälligen Gefecht mit israelischen Infanteriesoldaten.

Für Israel ist die Ausschaltung Sinwars jedenfalls ein massiver Erfolg: Der im Flüchtlingslager Chan Yunis geborene Hamas-Chef gilt als Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober 2023. Bei dem brutalen Überfall hatten hunderte Kämpfer der Hamas und verbündeter islamistischer Palästinensergruppen den Grenzzaun zwischen dem Gazastreifen und Israel durchbrochen. In mehreren südisraelischen Ortschaften, auf dem Nova-Musikfestival und als Geiseln im Gazastreifen wurden damals insgesamt 1205 Menschen getötet.

„Schlächter von Chan Yunis“

Sinwar gehört zur Gründergeneration der Hamas, die sich während der ersten Intifada Ende der 1980er Jahre im Kampf gegen die israelische Besatzung formierte. Sinwar war in dieser Zeit am Aufbau des militärischen Hamas-Arms, der Kassam-Brigaden, beteiligt, zu seinen Aufgaben zählte aber auch der Kampf gegen mutmaßliche Kollaborateure in den eigenen Reihen. Dabei ging er so brutal vor, dass er als „Schlächter von Chan Yunis“ bekannt wurde.

Wegen des Mordes an vier mutmaßlichen Kollaborateuren und zwei israelischen Soldaten wurde Sinwar 1988 von Israel verurteilt. Er verbrachte mehr als zwei Jahrzehnte in Haft. Diese Zeit nutzte er, um Hebräisch zu lernen und den Feind zu studieren. Laut Medienberichten las er systematisch Bücher über prominente israelische Persönlichkeiten, darunter auch die früheren Regierungschefs Menachem Begin und Yitzhak Rabin.

2011 kam Sinwar schließlich frei - als einer von mehr als 1.000 palästinensischen Häftlingen im Austausch für den israelischen Soldaten Gilad Shalit. 2017 wurde er dann Hamas-Chef im Gazastreifen. Als Anführer zeigte er sich danach ebenso unerbittlich und kompromisslos wie in jungen Jahren. Sinwars übergeordnetes Ziel blieb die Zerstörung Israels.