Der russische Machthaber Wladimir Putin hat Pläne zur Einnahme der ukrainischen Millionenstadt Charkiw bestritten. Dies sei derzeit nicht geplant, sagte Putin am Freitag bei einer Pressekonferenz im chinesischen Charbin. Die russischen Streitkräfte, die in der Nähe im Einsatz seien, bauten eine „Pufferzone“ für die Sicherheit Russlands auf. Die ukrainische Armee hatte zuvor einen massiven Vorstoß russischer Truppen in der Region eingeräumt.
Putin begründete die russischen Pläne damit, dass die russische Region Belgorod massiv mit Drohnen und Raketen beschossen werde. Weil die Führung in Moskau immer wieder Charkiw als russische Stadt bezeichnet, gehen viele Experten davon aus, dass der Kreml auch die Region annektieren will. Putin dementierte dies erstmals mit der Einschränkung, dass es derzeit nicht geplant sei. Putin widersprach seinem Vorgänger Dmitri Medwedew, der eine jüngste Reise des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Charkiw als "Abschiedsbesuch" bezeichnet hatte.
Die Invasoren hätten ihr aktives Kampfgebiet um fast 70 Kilometer ausgedehnt, sagte der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj am Freitag. Russland habe die Offensive gestartet, um die Ukraine dazu zu zwingen, zusätzliche Reservebrigaden einzusetzen, so Syrskyj. Er rechnet mit einer Verschärfung der Kämpfe, da sich die Truppen in Kiew auf die Verteidigung in der Region Sumy vorbereiteten.
102 Drohnen zerstört
Indes gelang der Ukraine offenbar ein neuer Treffer auf eine russische Ölraffinerie. Wie es am Freitag auf Telegram hieß, brach nach einem Drohnenangriff ein Feuer in der Anlage in der Stadt Tuapse (Region Krasnodar) aus.
Das russische Verteidigungsministerium in Moskau teilte am Freitag mit, dass in der Nacht 102 ukrainische Drohnen zerstört worden seien, die Hälfte davon über der annektierten Halbinsel Krim. Bei den Angriffen unter anderem auf die Regionen Krasnodar und Belgorod habe es auch Tote gegeben. In der Region Belgorod starben eine Frau und ihr vier Jahre alter Sohn, nachdem eine Drohne ihr Auto getroffen hatte, wie Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow mitteile. Der Vater und ein weiterer Mann seien verletzt worden. An einer Tankstelle brach nach einem Treffer zudem ein großes Feuer aus, wie auf Fotos zu sehen war.
Die russische Schwarzmeerflotte habe zudem sechs Seedrohnen unschädlich gemacht, hieß es weiter. In Folge der Angriffe sei ein Umspannwerk in Sewastopol auf der Krim beschädigt worden, wie der Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschaew, auf dem Kurznachrichtendienst Telegram erklärte. "Es wird vereinzelt zu Stromausfällen kommen." Angesichts der Lage blieben Schulen und Kindergärten geschlossen. Sewastopol ist der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte. Russland hatte die Krim 2014 annektiert.
Litauen unterstützt Ukraine
Laut dem US-Satellitenunternehmen Maxar wurden bei dem ukrainischen Angriff auf drei Kampfflugzeuge und eine Treibstoffanlage zerstört. Es handle sich um zwei MiG-31-Kampfjets und einen Su-27-Kampfjet auf dem von Moskau kontrollierten Luftwaffenstützpunkt Belbek nahe Sewastopol, teilte Maxar unter Berufung auf Satellitenbilder mit. Eine Stellungnahme der Ukraine lag zunächst nicht vor.
Die Ukraine wiederum schoss nach eigenen Angaben alle 20 in der Nacht von Russland auf das Land gezielten Drohnen ab. Das Militär meldete die Abschüsse über den Regionen Charkiw, Poltawa, Winnyzja, Odessa und Mykolajiw. In Charkiw sei es während des Angriffs zu vier Explosionen gekommen, schrieb der Bürgermeister der Großstadt, Ihor Terechow. Bei einer Detonation sei ein Feuer ausgebrochen. Dem Regionalgouverneur von Charkiw, Oleh Synjehubow, zufolge wurden fünf Gebäude beschädigt - darunter ein Verwaltungsgebäude.
Litauen leistete der Ukraine indes weitere Militärhilfe. Das baltische EU- und NATO-Land habe der ukrainischen Armee Drohnen, 5,56x45-mm-Munition und Anti-Drohnen-Ausrüstung übergeben, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius am Freitag mit. Weiter seien auch Generatoren und Klappbetten geliefert worden. Die deutsche Außenministerin Annalena Bearbock forderte bei einem Ministertreffen des Europarates in Straßburg, dass das Land angesichts der "hochdramatischen" Lage in Charkiw mehr Waffen mit größerer Reichweite sowie Luftverteidigungssysteme wie etwa Patriot-Batterien brauche.