In Deutschland haben sich 14 der 16 Bundesländer nach Angaben der hessischen Landesregierung auf gemeinsame Standards für eine Bezahlkarte für Asylbewerberinnen und Asylbewerber bis Sommer 2024 verständigt. "Bayern und Mecklenburg-Vorpommern gehen bei der Vergabe eigene Wege, wollen aber ebenfalls eine Bezahlkarte einführen", heißt es in der Mitteilung am Mittwoch.

Asylbewerberinnen und Asylbewerber sollen damit künftig einen Teil der Leistungen als Guthaben auf einer Karte anstelle einer Barauszahlung erhalten. Eine bundesweite Karte war auf dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Deutschlands Kanzler Olaf Scholz im November verabredet worden. Eine von der Ministerpräsidentenkonferenz eingesetzte Arbeitsgruppe unter hessischem Vorsitz hatte daraufhin ein Modell für eine Bezahlkarte mit bundeseinheitlichen Mindeststandards erarbeitet.

Bundesweite Karte, regionale Einschränkungen

Geeinigt habe man sich unter anderem darauf, dass es sich um eine guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion (ohne Kontobindung) handeln solle, die das Auszahlen von Bargeld ersetzt, teilte die hessische Landesregierung mit. Über die Höhe des Barbetrags sowie über weitere Zusatzfunktionen entscheide jedes Land selbst. Die technischen Möglichkeiten der Bezahlkarte aber sollen in allen Ländern einheitlich sein. Grundsätzlich soll die Karte bundesweit gelten, Länder können sie aber regional und für bestimmte Branchen einschränken. Nicht vorgesehen seien ein Einsatz im Ausland, Karte-zu-Karte-Überweisungen und sonstige Überweisungen im In- und Ausland, hieß es.

"Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität", sagte Hessens Regierungschef Boris Rhein (CDU) als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) sagte, man sei mit der Umsetzung der Beschlüsse der letzten MPK gut vorangekommen. "Mit einer Bezahlkarte werden Bargeldauszahlungen an Asylbewerberinnen und -bewerber weitgehend entbehrlich", sagte er. Falls diese dann arbeiten, könnten sie über das selbst verdiente Geld aber frei verfügen.

Eingriff in die Freiheit des Einzelnen?

An dem Vorhaben gibt es Kritik. Schon im Herbst erinnerte Andrea Kothen, Referentin bei Pro Asyl, gegenüber netzpolitik.org an die 1990er-Jahre: Von Chipkarten über Papiergutscheine bis zu Lebensmittelkartons habe es verschiedene Formen von Bezahlsystemen und Sachleistungen für Geflüchtete gegeben. Profitiert hätten davon "vor allem private Konzerne, die für die Bereitstellung und Abwicklung des Systems hohe Summen von den Kommunen oder Ländern kassierten". Kommunen hätten jedoch einen deutlich höheren Aufwand gehabt als für die Auszahlung von Bargeld.

Für den Bayerischen Flüchtlingsrat steht laut netzpolitik.org fest, dass der Ausschluss von Bargeld in die Freiheit des einzelnen Menschen eingreife: "Bargeld spielt in Deutschland im Alltag eine wahnsinnig große Rolle. Wenn mit der Chipkarte keine Bargeldabhebungen möglich sind, haben Geflüchtete nicht mehr die Möglichkeit, Geldgeschäfte des täglichen Lebens zu tätigen", teilt demnach der Flüchtlingsrat mit. Betroffen wären Flohmärkte, Gemeindefeste oder der Pausenverkauf in der Schule.

In seinem Buch "Brennpunkt Westafrika. Die Fluchtursachen und was Europa tun sollte" erläutert der Soziologe Olaf Bernau zudem die Wichtigkeit von Rücküberweisungen für unzählige Familien. Europa trage schließlich wesentlich auch mit seiner Wirtschaftspolitik zu Fluchtgründen bei.