Entgegen bisherigen Einschätzungen des Ministeriums sieht der Bundesverband Lebenswelt Heim einen Bedarf von rund 125.000 zusätzlichen Pflegekräften bis 2030, die den hohen Anforderungen in der Pflege auch gewachsen und entsprechend gut ausgebildet sind. Damit Österreichs Alten- und Pflegeheime in Zukunft attraktive Arbeitsplätze bieten können, müssen die Rahmenbedingungen in der Pflege deutlich verbessert werden. Der Lebenswelt Heim Bundesverband sieht dies als eines der wichtigsten Ziele der Pflegereform.
Die demographische Entwicklung und die Tatsache, dass viele Pflegekräfte in den nächsten Jahren das Pensionsalter erreichen werden, machen deutlich, wie dringend die Pflegereform umgesetzt werden muss. Auch schneidet Österreich unterdurchschnittlich ab, was die Anzahl der Mitarbeitenden in der Langzeitpflege je 100 Personen über 65 Jahre betrifft. Dies geht aus einer am 22. Juni 2020 veröffentlichten Studie der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor. Norwegen und Schweden liegen hier mit über 12 Mitarbeitenden voran. Der OECD Durchschnitt liegt bei 5, Österreich bei lediglich 4 Mitarbeitenden. „Will man die Systeme verbessern, ergibt sich gerade daraus ein höherer Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften, als die lt. Ministerium eingeschätzten 100.000, andernfalls erreichen wir lediglich ein Fortschreiben des Status quo“, so Markus Mattersberger, Präsident des Bundesverbandes Lebenswelt Heim. Die Pflegekräfte in Österreich sind im internationalen Vergleich (auch deshalb?!) besonders belastet. 35 Prozent von ihnen berichten von Gesundheitsproblemen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit, während es im OECD-Schnitt nur 15 Prozent sind. Dabei ist Österreich im Spitzenfeld, wenn es um die Ausgaben für das Gesundheitssystem (inkl. Langzeitpflege) geht.
Um Menschen für den Pflegeberuf im Allgemeinen und die Altenarbeit im Speziellen interessieren und begeistern zu können, braucht es vor allem gute, interessante Rahmenbedingungen. Attraktive Arbeitsplätze in allen Pflegesettings sind das Um und Auf. Für die Arbeit in Pflegeeinrichtungen bedeutet das: Zeitdruck reduzieren, die Zuständigkeit auf weniger Bewohnerinnen und Bewohner senken (Betreuungsschlüssel), mehr Zeit für die psychosoziale Betreuung, multiprofessionelle Teams und angemessene Gehälter. „Die Pflege zählt zu den am meisten belasteten Berufsgruppen. Wir müssen sie entlasten und ihnen ein attraktives Arbeitsumfeld anbieten“, zeigt Martin König, Vizepräsident des Bundesverbandes wesentliche Eckpunkte für die Pflegereform auf. Altenpflege werde gesellschaftlich nach wie vor stark unterschätzt. Sie sei jedoch eine hochprofessionelle Arbeit, die multiprofessionelle Teams mit unterschiedlichsten Expertisen erfordere. In den letzten 15 Jahren habe sich auch das Krankheitsbild der Heimbewohnerinnen und -bewohner stark verändert „In unseren Einrichtungen werden immer mehr Menschen mit Demenz und psychischen Beeinträchtigungen gepflegt. Die Herausforderung ist dabei jedoch nicht der Mensch mit Demenz an sich allein, sondern jene, die aufgrund ihrer Auffälligkeiten als besonders herausfordernd beschrieben werden“, so Mattersberger abschließend.