Welche Markenphilosophie steckt hinter dem Namen LARS NYSØM?
Sebastian Fritz: Das Ziel unserer Brand ist es, einfache Alltagsgegenstände schön zu machen. Schön heißt in unserer Vorstellung, ein Objekt auf das Wesentliche zu reduzieren. Der Minimalismus steht an erster Stelle, dementsprechend ist das Design unserer Produkte skandinavisch.
Patrick Fischer: Mit unserem Markennamen LARS NYSØM wollten wir gleich eine Assoziation zu skandinavischem Design herstellen. Wir heißen Fritz und Fischer, man hätte die Brand also auch Fischers Fritz nennen können. Das wäre aber nicht besonders passend gewesen. So haben wir den fiktiven Designer LARS NYSØM geboren, der unsere Philosophie verkörpert.
Für den Markennamen habt ihr dann die häufigsten Männernamen in Dänemark gegoogelt?
P F: So ähnlich. Wir haben nach Vor- und Nachnamen gesucht, die uns gefallen, und sie dann kombiniert.
Wenn LARS NYSØM fiktiv ist, wer ist der Designer hinter euren Produkten?
P F: Das sind Sebastian und ich. Wir sind zwar keine gelernten Designer und können auch nicht technisch designen, haben aber klare Designvorstellungen – und diese kommunizieren wir unseren Produktionspartnern. Wir machen Vorgaben und entwickeln im Prozess, bis es so aussieht, wie wir es uns vorstellen.
S F: Das ist tatsächlich ein langwieriger Prozess. Zumal wir in der Produktion bereits bestehende Werkzeuge mit neuen kombinieren, um einerseits effizient zu sein und andererseits individuell. Bis zur letzten Kante wird geschliffen. Wir mögen übrigens lieber eckige Kanten.
Ihr macht Gebrauchsgegenstände – wie entscheidet ihr, was ihr produzieren wollt?
S F: Wir unterteilen in zwei Kategorien: „Home & Kitchen“ und „Out of Home“-Produkte. Unter Ersterem findet man Pfeffermühlen oder ein Käsemesserset. Zweiteres sind Produkte wie Trinkflaschen und Kaffeebecher. Natürlich kann man eine Pfeffermühle auch im Supermarkt kaufen, aber dann ist sie ein Wegwerfprodukt. Unsere ist langlebig und mit dem „Red Dot“-prämierten Design auch ein Wohn-Accessoire. Der Kaffeebecher lässt sich gut zum Outfit kombinieren und kann so wie eine Handtasche oder ein Handycase einen Look komplettieren. Es sind alles Produkte, die nützlich sind und die uns Freude machen.
Ihr sprecht auf eurer Website über Nachhaltigkeit und produziert in China. Wie geht das zusammen?
S F: Das ist auch für uns nicht so einfach. Wir haben zu Beginn nach einer Produktionsstätte in Europa gesucht und dazu sämtliche Außenhandelsstellen der Wirtschaftskammer in Ländern, die dafür in Frage kämen, angeschrieben. Aber leider gibt es diese Art der Produktion in Europa einfach nicht mehr.
P F: Es gibt weder das Wissen noch die Maschinen. Aber die Frage war, wie das zusammenpasst. Wir sind als „klimaneutral“ zertifiziert und setzen die Schritte, die wir setzen können. Es gibt bei uns keine Verpackungen aus Plastik, was einen enormen Unterschied macht. Alles ist in Karton verpackt. Außerdem produzieren wir langlebige, wiederverwendbare Produkte. Die kann man nicht mit einer Einwegflasche oder einem Einweggewürzspender vergleichen. Die Klima-Zertifizierung bedeutet, dass die Emissionen, die beim Produktionsprozess entstehen, in Form von Förderungen von Umweltprojekten kompensiert werden. Aber am nachhaltigsten ist es, weniger zu konsumieren und wenn, dann etwas mit hoher Qualität zu kaufen.
S F: Wir werben nicht mit Nachhaltigkeit. Das kann unser moralischer Kompass nicht mit einem guten Gewissen vereinbaren.
Eure Produkte wirken im Preis-Leistungs-Verhältnis extrem gut. Ich muss zugeben, das hat mich irritiert.
P F: Das hören wir immer wieder. Es ist das Ziel der Marke, schönes Design zugänglich zu machen. Deswegen bepreisen wir die Produkte so, dass sie für viele Menschen erschwinglich sind. Außerdem sind wir eine Online-Marke. Ohne stationären Handel ist es einfacher, Preise leistbarer zu gestalten. Die Kunden wären online auch viel zu sensibel dafür.
S F: Dennoch würden wir gerne den Schritt in den stationären Handel machen. Ein bisschen Präsenz für unsere Brand offline würde uns schon gefallen. Das ist aber ein anderes Business und da müssen wir erst hineinwachsen.
Warum ist diese Sehnsucht nach „offline“ dann doch da?
S F: Man bekommt noch mal viel direkteres Feedback von den Kunden und kann die Marke besser erlebbar machen. Es ist etwas anderes, wenn man ein haptisches Erlebnis hat.
Ihr seid Quereinsteiger, was habt ihr davor
beruflich gemacht?
S F: Kennengelernt haben wir uns an der WU Wien, wo wir studiert haben. Danach hieß es für uns beide erst einmal ab in Richtung Finance, Strategie und Controlling. Ich war einige Jahre in der Unternehmensberatung tätig. Bis der Moment kam, an dem ich mir etwas Eigenes aufbauen wollte.
P F: Ich war einige Jahre in der Vorstandsassistenz und danach in der Finanzstrategie tätig. LARS NYSØM haben wir nebenbei aufgebaut. Es war sehr fordernd, da wir beide keine Experten in diesem Bereich waren. Wir sind weder Designer noch Marketingexperten, geschweige denn, dass wir eine Ahnung von Produktion hatten. Es war Learning by Doing, mit einigen Fehlern.
Was bedeutet Minimalismus für euch?
P F: Ich mag es schlicht: einfache Materialien, nur nicht pompös oder gar üppig. Zu fancy sollte es auch nicht sein. Ich finde einfache Dinge schön. Privat ist derzeit allerdings Minimalismus beim Schlafen angesagt – wir haben kleine Kinder.
S F: Ich würde jetzt einfach mal behaupten, dass dieser Minimalismus eher von Männern gelebt wird. Nicht zu viel Deko und das, was herumsteht, soll auch eine Funktion haben. Im Produkt spiegelt sich das in Form von schlichten Oberflächen, einem cleanen Look und matter Farbgestaltung wider.
Wie lebt ihr Minimalismus sonst noch?
P F: Ich denke oft darüber nach, was ich wirklich brauche. Macht mich ein bestimmter Kauf wirklich zufriedener? Meistens lautet die Antwort: nein.
Ich glaube, viele hegen mittlerweile den Wunsch nach mehr Einfachheit bzw. nach einem „Weniger“.
P F: Die Menschen sind komplett überfordert. Das Leben ist zu einer einzigen Reizüberflutung geworden. Wir müssen tagtäglich so viele Entscheidungen treffen, das ist wahnsinnig anstrengend. Deswegen gibt es bei uns nur eine bestimmte Anzahl an Produkten. Das ist auch Minimalismus.
S F: Der Mensch ist für die Dauerberieselung nicht gemacht. Wir brauchen Leerraum, Space im Kopf.
Wenn ihr euch im Sinne des Minimalismus für ein Produkt von euch entscheiden müsstet, welches wäre das?
P F: Die große Pfeffermühle. Da steckt so viel Herzblut drin. Die meisten Pfeffermühlen sind aus lackiertem Holz oder Plastik. Wenn sie aus Edelstahl sind, dann meist in dieser Optik belassen. Dass man eine Edelstahlmühle bemalen könnte, erschien uns sehr einfach. War es aber nicht. Bis wir bekommen haben, was wir wollten, ist viel Schweiß geflossen – und einiges an Kapital. Es war mühevoll, aber wahnsinnig lohnend.
S F: Die große Pfeffermühle ist das begehrteste Produkt weltweit. In den USA verkauft sie sich besonders gut.
Der Absatz dort ist höher als in Deutschland. Überhaupt sind die USA unser größter Markt. Wie habt ihr das geschafft?
S F: Indem wir über Marktplätze verkaufen. Sie sind ein guter Weg, starke Visibilität für seine Produkte zu generieren. Eine Käuferin oder ein Käufer ist auf einem Marktplatz im Sales Funnel bereits sehr weit vorne; die Chance, dass ein Kauf getätigt wird, ist also extrem hoch. Wir können ein qualitativ hochwertiges Produkt zu einem guten Preis anbieten, was dazu führt, dass es gekauft wird und wir als Marke ein gutes Ranking haben.
P F: Mittlerweile sind wir bereits ein kleines Team aus zehn Leuten. Wir wollen weiter wachsen. In China haben wir unsere eigene Source-Managerin, die viel Erfahrung hat und auf Augenhöhe mit den Produktionspartnern und Rohstofflieferanten sprechen kann. Das macht vieles einfacher.
Habt ihr euch selbst ein Bild vor Ort gemacht?
S F: Wir waren 2019 in China und haben einige Fabriken besucht. Uns wurde sehr viel gezeigt und man hat sich Zeit für uns genommen, obwohl wir zu diesem Zeitpunkt als Unternehmen noch sehr klein waren. Es war beeindruckend, wie sich die Leute trotzdem um uns bemüht haben.
S F: In China sind die Bereitschaft, sich auf neue Kunden einzulassen, und der Service-Gedanke ganz anders. Wenn man am Freitagnachmittag bei uns versucht, jemanden zu erreichen, hat man meistens kein Glück. Das passiert in China nicht. Man kann gesellschaftlich darüber diskutieren, ob das gescheit ist, aber für uns als Unternehmer ist das gut.
Wie sind die Arbeitsbedingungen?
P F: Die Arbeit in einer Fabrik ist immer monoton. Soweit wir das beurteilen konnten, waren die Arbeitsbedingungen gut.
S F: Man hat den Eindruck, dass sich die Menschen in China noch immer reinhauen und etwas erreichen wollen. Sie wollen an ihrem Wohlstand arbeiten. Sie haben es geschafft, dass die Produktion hauptsächlich bei ihnen stattfindet.
P F: Während unsere Abhängigkeit dadurch immer größer wird. Wenn man die Produktion komplett abgibt, entsteht Abhängigkeit. Das ist aus meiner Sicht ein politisches Versäumnis. Ich würde dafür eintreten, eine Re-Industrialisierungsoffensive in Europa zu starten. Dann kann man erreichen, was man möchte: hohe Produktionsstandards, faire Arbeitsbedingungen, ökologische Standards – vor allem aber schafft man Versorgungssicherheit, die auch Innovation ermöglicht. Und die wünschen wir uns alle.
Nina Prehofer