Interview: Julia Rinesch
Für alle, die den Thalersee noch nicht kennen: Wie kann man sich den Ort vorstellen?
Gerd Zehetner: Der Thalersee ist ein Naherholungsgebiet westlich von Graz, das einem ein bisschen das Gefühl vermittelt, als wäre man weit weg und mitten in unberührter Natur. Es ist fast ein magischer Ort, der in seiner knapp 100-jährigen Geschichte mit den Erinnerungen unzähliger Besucher verknüpft ist. Viele haben hier schwimmen gelernt, es gab früher Kioske und eine riesige Rutsche. Am Wochenende waren oft tausende Menschen vor Ort. Und doch kann man hier auch ganz alleine sein, frühmorgens zum Beispiel. Schon deshalb sollte man unbedingt mal im neuen Waldcafé Thalersee übernachten.
Und um das Waldcafé Thalersee geht es ja heute primär: Was
genau ist in eurer doch recht kurzen Planungs- und Umsetzungszeit von nur gut einem halben Jahr entstanden?
In erster Linie das Waldcafé mit Innen- und Außenbereichen, aber auch ein Bootsverleih, eine Radwerkstatt, Seminarräume und sechs Gästezimmer. Generell war der Zeitplan die größte Herausforderung des Projekts, wobei ich sagen muss, dass hier alle perfekt zusammengearbeitet haben. Wir haben insbesondere die Region stark eingebunden, so waren überwiegend Firmen aus der Umgebung involviert. Und natürlich waren wir mit dem Bürgermeister von Thal in einem ständigen, gleichberechtigten Austausch. Wir wollten unter gar keinen Umständen den Eindruck erwecken, dass jetzt die aus Wien kommen, die alles besser wissen. Und das hat super funktioniert, die Zusammenarbeit war hervorragend.
Wie bist du überhaupt zu dem Projekt gekommen?
Die beiden Pächter haben mich angerufen und gefragt, ob ich das machen will.
Zu dem Zeitpunkt war das Projekt schon recht weit fortgeschritten. Der Entwurf des Gebäudes war durch den Architekturwettbewerb, den die Architekten Pittino & Ortner gewonnen haben, bereits skizziert, und allzu sehr wollten wir da auch nicht mehr eingreifen.
Laura Karasinski vom Atelier Karasinski war ja auch mit an Bord, richtig?
Genau. Ich habe mit Laura schon bei anderen Projekten sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Sie kommt ursprünglich aus dem Grafikdesign- und Werbebereich und wir sind ein Büro für Architektur und Innenarchitektur. Zusammen ergibt das wirklich gute Synergien. Beim Waldcafé Thalersee haben wir uns darauf verständigt, dass wir als Büro den Lead haben und sie sich beim Storytelling und allem, was dazugehört, einbringt. Natürlich hat sie unsere Planung auch mit ihrer Meinung und Erfahrung beim Thema Innenarchitektur bereichert, so war sie beispielsweise bei der Auswahl von Mustern, Farben und Stoffen stark involviert und es entstand ein nahtloser Übergang zu ihren Logo- und Package-Entwürfen.
Mit welchem Ansatz seid ihr an die Gestaltung gegangen?
Vorbild waren beispielsweise die großen Terrassencafés an der Adria mit ihren großen Schirmen und vielen unterschiedlichen Sitzgelegenheiten, bei denen jeder seinen Lieblingsplatz finden kann. Wir wollten dieses Lebensgefühl hierher an den Thalersee bringen. Unser Ziel war es, etwas entstehen zu lassen, das nicht aussieht wie aus der Retorte. Das Ergebnis sollte einzigartig sein, mit ganz viel Retro-Charme und doch auf dem neuesten Stand der Technik.
Dazu haben auch die beiden Pächter Manuel Köpf und Andreas Knünz beigetragen, indem sie sich mit ihrer Meinung und ihren Erfahrungen eingebracht haben. Ihnen war beispielsweise wichtig, das Mid-Century-Lebensgefühl aus Los Angeles/Kalifornien einfließen zu lassen. Da gab es viel Redebedarf und auch einige Diskussionen. Das ist bei so einem Projekt ganz normal und ein wichtiges Kreativtool. Auf diesem Weg kommen immer wieder Aspekte auf, die man sonst vielleicht nicht berücksichtigt hätte, die aber einen ganz großen Mehrwert bieten. Außerdem haben Laura, die beiden Pächter und ich unabhängig voneinander auf diversen Plattformen nach schönen gebrauchten Einrichtungsgegenständen gesucht, die das Neue bereichern, indem sie schon Geschichte mitbringen.
Individualität ist dir also besonders wichtig?
Unbedingt! Ich habe mich während der Bauphase sehr viel damit beschäftigt, was man designtechnisch darf und was nicht. Ich finde, man kann sich durchaus an verschiedenen Zeiten oder Designs orientieren, sie kombinieren oder sich inspirieren lassen. Aber an oberster Stelle steht: Kopiert oder nachgebaut wird nicht! Manches im Café, wie beispielsweise die Bar, wirkt vielleicht so, als hätte man das in den 50ern schon einmal irgendwo gesehen, aber es wurde alles individuell und nur für das Waldcafé entworfen und umgesetzt. Schön ist, wenn wir die Menschen durch unsere Gestaltung ein wenig aus ihrem Alltagstrott holen können und ihnen vielleicht sogar ein Schmunzeln entlocken – wie mit unseren Schwan- oder Flamingo-Tretbooten. Da lächelt ein Kind, aber eben auch ein Erwachsener.
Du hast von großen Terrassencafés als Vorbild gesprochen – wie genau habt ihr das im Waldcafé umgesetzt?
Innen wie außen gehen viele Stilbereiche nahtlos ineinander über. So gibt es einen Sitzbereich, der aussieht wie ein Wohnzimmer, ein anderer Bereich ist ganz flexibel und kann so perfekt auch für große Feiern genutzt werden. Draußen hatten wir ja nicht nur die Frage des Designs, sondern auch die des Hochwasserschutzes. Daher gibt es auf der untersten Ebene der Seeterrassen nur am Boden fixierte Sitzgelegenheiten, die auch bei Hochwasser nicht wegschwimmen können.
Auf den Betonstufen kann man sich ganz unkompliziert Pölster und einen Sonnenschirm holen und es sich gemütlich machen. Und ganz oben, da findet man eine klassische Bestuhlung. Der Grundgedanke im Innen- und Außenbereich war, dass jeder seinen Lieblingsplatz finden soll – von der Männerrunde nach dem Sport bis zu den zwei Damen, die in Erinnerungen schwelgen.
Was ist dir aus der Bauphase besonders in Erinnerung geblieben?
Ich habe einige Male in den neuen Zimmern übernachtet, als alles gerade so fertig war. In der Nacht war ich ganz alleine auf der Baustelle, bin etliche Male durch die Räume flaniert und habe alles in Ruhe auf mich wirken lassen. Gerade wenn es am Abend ruhiger wird um den See, ist es wunderschön. Es sollte wirklich jeder einmal dort übernachten und den Abend und Morgen genießen.
Es lohnt sich!
Warst du seit der Eröffnung schon einmal dort? Sind eure Pläne aufgegangen?
Ich war schon mehrfach dort, und das ist jedes Mal wahnsinnig spannend. Generell ist man ja immer neugierig, ob sich die Ideen im Einsatz auch bewähren. Schön ist, wenn man mit den Menschen dann auch ins Gespräch kommt. Ich kann mich gut an zwei ältere Damen erinnern, die irrsinnig begeistert waren. Letztes Jahr gab es sicherlich noch einige Herausforderungen, aber ich hoffe, dass sich jetzt alles eingespielt hat – die ersten warmen Sonnenstrahlen sind da und die Menschen sind hungrig nach Leben. Wenn wir uns noch etwas wünschen könnten, dann wäre es eine bessere öffentliche Verbindung von Graz zum Thalersee. Und dass das Projekt immer weiter wachsen darf, Ideen dazu gibt es genügend.
Julia Rinesch