Text: Julia Rinesch
Diese Geschichte erzählt vom Wachstum. Wer jetzt an Wirtschaftswachstum denkt, ist auf einer völlig falschen Fährte – haben sich die Menschen, um die es hier geht, doch zurück zu den Wurzeln aufgemacht und leben nach dem Motto „Weniger ist mehr“. Und so erzählen wir heute davon, wie es ist, etwas Gutes zu säen und später zu ernten. Und davon, wie sehr diese Entwicklung nicht nur die Blumen, sondern auch uns Menschen um ein Vielfaches wachsen, ja geradezu erblühen lässt.
„Vom Hügel“-Gründerin und Chefin Margrit De Colle
sagt, dass sie schon immer gerne unbequeme Fragen gestellt hat. Schon lange bevor sie zu diesem sonnigen Grundstück an einem Westhang in der Südoststeiermark mit Blick über das langgezogene Raabtal gekommen ist, hat sie oft von den Dingen gesprochen, die falsch laufen in unserer Welt. „Unkonventionell war ich schon von ganz klein auf. Frech und mutig. Und hartnäckig. Und ich habe immer unangenehme Themen angesprochen – ob damals in meinem Soziologiestudium, meinem Beruf in einer Eventagentur oder später während meiner Ausbildung zur Meisterfloristin.“
Früh hat sie die Erfahrung gemacht, dass es nicht einfach ist, ein „unbequemer“ Mensch zu sein, und sie ihr Glück selbst in die Hand nehmen muss. „Ich habe mir gedacht, wenn ich da nirgends so richtig reinpasse, dann muss ich mir halt selbst den Ort schaffen, der wie für mich gemacht ist.“ Und so beginnt die Geschichte von „Vom Hügel“, der übrigens kein erfundener Name ist, sondern sich von Margrits Nachnamen ableitet: „De Colle heißt übersetzt Vom Hügel. Und mein Name sagt eigentlich schon alles, ich habe wohl einen Hügel gebraucht in meinem Leben.“ Hier oben, in einem Bauernhaus und mit zwei kniehohen Kleinkindern an ihrer Seite, gab sie vor mehr als 18 Jahren ihre ersten Kurse im Blumenkranzbinden: „Ich rede und vermittle einfach gerne. Und anstatt 15 Kränze zu binden, binde ich lieber einen und gebe dieses Wissen weiter. So hat alles angefangen.“
Im Hier und Jetzt
Inzwischen ist „Vom Hügel“ nach den Anfängen mit einem Blumenbeet und Workshops in der kleinen Küche regelrecht aufgeblüht. Nicht nur die Anbaufläche, sondern auch das Team und damit das Konzept sind ordentlich gewachsen. Die Workshops stehen auf professionellen Beinen, zu jeder Jahreszeit findet man passende Kreativangebote, unabhängig vom Wetter. Auch das gehört für Margrit De Colle zum Konzept: „Wir arbeiten immer mit den Blumen, die gerade bei uns Saison haben. Zu Ostern blühen bei uns Narzissen und Tulpen und nichts anderes. Genauso handhaben wir es in unserem Garten Café. Hier bekommt man ausschließlich Gerichte mit saisonalem Bio-Gemüse. Die Teller sehen zu jeder Jahreszeit anders aus. Was das angeht, bin ich sehr konsequent.“
Aus genau diesem Grund ist das kunstvoll eingerichtete Café mit wunderschöner Terrasse so wichtig für das gesamte Projekt – seit der Eröffnung kommen viele Besucher auch einfach mal nur auf einen Kaffee vorbei. „Das ist deshalb so relevant, weil die Menschen unser Tun eigentlich nur verstehen lernen, wenn sie hier bei uns sind. Vielen Leuten ist noch nicht ganz klar, warum es uns so wichtig ist, dass unsere Schnittblumen bio-zertifiziert wachsen. Ich hör immer wieder, dass man die ja eh nicht essen will.“
Beschäftigt man sich mit den Tatsachen, dann leuchtet dies eigentlich sofort ein, denn: „Auf einem konventionell angebauten Rosenstrauß findet man über 37 verschiedene Kontaktgifte. Heißt: Indem man sich Blumen ins Haus holt, vergiftet man in Wahrheit sich selbst. Aber nicht nur das, diese Blumen vergiften auch die Floristen und die Betriebe in Kenia, von wo viele dieser Schnittblumen stammen. Und zu guter Letzt den Komposthaufen, auf dem sie zum Schluss landen.“ Natur pur sind hingegen die Bio-Schnittblumen, die hier am „Vom Hügel“ wachsen. Darüber hinaus sind die Blumenarrangements, Kränze und Sträuße viel mehr als „nur“ Blumen, sie sind echte kleine Kunstwerke.
Bio-Synergien am Hügel
Zehn Frauen und Männer sind mittlerweile im Betrieb beschäftigt und bieten Workshops an, hegen und pflegen die Blumen auf rund sieben Hektar Anbaufläche, betreiben das Café, den Shop und die Werkstätte. Einer von ihnen ist Walter Scharler, durch den das Bio-Gemüse zu Margrit gekommen ist – und, fast noch wichtiger: die Liebe. „Walter war zwei Jahre lang mein Nachbar am Markt. Er war dort mit seinem Bio-Gemüse, ich mit meinen Bio-Blumen. Und irgendwann haben wir beide dann auch gesehen, was rund um uns herum schon alle lange gesehen haben, nämlich dass wir wunderbar zusammenpassen“, schmunzelt Margrit.
Wie es das Schicksal so will, war Walter gerade dabei, den Bio-Bauernhof an seinen Sohn zu übergeben – in „Vom Hügel“ fand er nicht nur einen neuen Lebensmittelpunkt, sondern auch eine neue Wirkungsstätte. „Dank ihm kam überhaupt erst die Idee zum Garten Café, das inzwischen eine große Bereicherung für uns alle ist. Wir bieten hier eine wunderbare Verpflegung für unsere Workshop-Teilnehmer, man kann bei uns Feste feiern oder einfach nur gut essen, wir können Veranstaltungen ausrichten, haben ein schützendes Dach über dem Kopf, falls ein Sommergewitter aufzieht, und, und, und“, erzählt Margrit. Auch Walter, der ja eigentlich schon in Pension wäre, sieht sein Wirken hier als echten Mehrwert, denn: „Stillsitzen, das wär nix für mich.“
Die Zukunft
Wie es weitergeht? Für Margrit ist das ganz klar: Sie möchte weiterhin Menschen mit der Natur in Verbindung bringen. Ihr Motto „Menschen – Pflanzen – Ideen“ soll auch in Zukunft Früchte tragen, daher: „Jetzt, wo wir hier einen guten Grundstein gelegt haben, ist es an der Zeit, dass noch mehr Leute teilhaben können. Ich möchte zukünftig die Verantwortung für ,Vom Hügel‘ mit Menschen teilen, die den Weg mit mir und uns gemeinsam gehen wollen. Alle, die der Natur, den Menschen, unserer Kreativität und dem Ort hier guttun, sind herzlich eingeladen, mitzumachen. Ich will das Projekt gemeinsam in die Zukunft tragen. Und das ist jetzt der nächste große Schritt!“
Wer will über sich hinauswachsen? Egal ob für Workshops, einen Ausflug, zum Blumenkauf oder als zukünftiger Kooperationspartner: Hier am Hügel, bei Margrits „Vom Hügel“, ist ein idealer Ort dafür.
Julia Rinesch