Frau Dr. Krenn, seit Inkrafttreten der sogenannten Lockerungsverordnung füllen sich in Österreich wieder die Betriebsstätten mit Mitarbeitern. Worauf müssen Arbeitgeber achten, um ihre
Arbeitnehmer zu schützen?

KRENN: Grundsätzlich gelten dieselben Prinzipien wie sonst im öffentlichen Leben. Abstand halten, Hygienemaßnahmen beachten, gegebenenfalls Maskenpflicht.

Jetzt ist die Maskenpflicht ja derzeit ein viel diskutiertes Thema. Wie schaut es da am Arbeitsplatz aus?

Dr. Gabriele Krenn, Präsidentin der Steiermärkischen  Rechtsanwaltskammer
Dr. Gabriele Krenn, Präsidentin der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer © M. GRABNER/ SALON DELUXE

KRENN: Das hängt im Detail von der Branche ab, in welcher das Unternehmen tätig ist. Generell gilt aber, dass überall, wo Kundenverkehr im Unternehmen stattfindet, die Mitarbeiter einen Mund-Nasenschutz tragen müssen. Dies aber dann nicht, wenn eine Schutzeinrichtung für die Mitarbeiter zur räumlichen Trennung vorhanden ist, die das gleiche Schutzniveau wie eine Maske bietet, wie zum Beispiel ein Plexiglasschutz. Während Kunden in diesen Bereichen immer eine Maske tragen müssen, räumt der Gesetzgeber dem Arbeitgeber daher hier zum Schutz seiner Mitarbeiter auch eine andere Gestaltungsmöglichkeit ein.

Gerade in Büros gibt es aber auch Bereiche, in welchen es keinen Kundenverkehr gibt. Wie ist hier die Rechtslage?

KRENN: Die Abgrenzungsfrage ist vorerst schwer zu beantworten. Ist ein Sekretariatsbereich, durch den Kunden nur kurz durchgehen, um dann in einem anderen Raum eine Besprechung abzuhalten, deswegen schon ein Kundenbereich oder nur eine interne Bürozone? Darauf gibt die Verordnung des Gesundheitsministeriums keine eindeutige Antwort. In Unternehmensbereichen, die ein Kunde nicht betreten kann, gilt jedenfalls, dass ein Mindestabstand von einem Meter zwischen den Arbeitnehmern verpflichtend einzuhalten ist. Eine „Maskenpflicht“ kann der Arbeitgeber in diesen Bereichen aber nicht anordnen. Das geht nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer. Im Streitfall wird hier das Arbeitsgericht zu entscheiden haben.

Viel wird auch über den Schutz von Arbeitnehmern diskutiert, welche einer Risikogruppe angehören. Gibt es da schon gesicherte Informationen?

KRENN: Ja, die Covid-19-Risikogruppen-Verordnung ist vor rund zehn Tagen in Kraft getreten. In dieser sind einerseits im Detail all jene Erkrankungen, die dazu führen, dass ein Arbeitnehmer zu einer Risikogruppe gehört, aufgezählt. Zusätzlich gibt es eine Generalklausel, wonach auch Arbeitnehmer, welche nicht unter einer dieser Krankheiten leiden, dann zur Risikogruppe gehören, wenn eine andere Erkrankung vorliegt, die einen ebenso schweren Krankheitsverlauf erwarten lässt, wie die in der Verordnung aufgezählten Erkrankungen. Dies ist vom Arzt, der das Risiko-Attest für den Dienstnehmer ausstellt, allein zu entscheiden und zu begründen.

Wenn ein Arbeitnehmer zur Risikogruppe gehört – ist er dann automatisch vom Dienst freigestellt?

KRENN: Nein, die rechtlichen Grundlagen sehen ein dreistufiges Verfahren vor. Basierend auf der Risikoeinschätzung des Arztes müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam abwägen, ob besondere Schutzmaßnahmen am Arbeitsort möglich sind. Ist dies nicht umsetzbar, kann vom Arbeitnehmer Homeoffice in Anspruch genommen werden. Erst wenn sich auch das als undurchführbar darstellt, besteht für den Arbeitnehmer Anspruch auf Dienstfreistellung bei vollen Bezügen.

KANN DER ARBEITGEBER WEGEN DES CORONAVIRUS JETZT EINSEITIG URLAUB ANORDNEN?

Herr Dr. Kropiunig, in den letzten Tagen liest man immer öfter, dass aufgrund der rechtlichen Neuregelungen zum Coronavirus Arbeitgeber generell auch gegen den Willen des Arbeitnehmers Urlaub anordnen können. Stimmt das?

KROPIUNIG: Richtig ist, dass der Gesetzgeber aus Anlass der Corona-Pandemie, zeitlich beschränkt bis 31. 12. 2020, unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitgebern die Möglichkeit einräumt, die Mitarbeiter auch gegen ihren Willen in den Urlaub zu schicken. Dies erfolgte durch eine Änderung der Bestimmung des § 1155 ABGB. Ein genereller Freibrief für Arbeitgeber, wie oft behauptet, Urlaub anzuordnen, ist das aber nicht.

Dr. Michael Kropiunig, Vize­ präsident der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer
Dr. Michael Kropiunig, Vize­ präsident der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer © M. GRABNER/ SALON DELUXE

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen daher vorliegen,damit ein Arbeitgeber Urlaub nun anordnen kann?

KROPIUNIG: Hier sieht das Gesetz vor, dass die einseitige Urlaubsanordnung nur bei Betrieben zulässig ist, deren Betreten durch gesetzliche Maßnahmen wegen Covid-19 verboten oder eingeschränkt war oder ist und in welchen aus diesem Grund die Arbeitnehmer ihre Arbeit nicht verrichten können. Dies ist z. B. bei Handelsunternehmen der Fall, welche Kunden bekanntlich lange nicht betreten durften. Nicht zulässig ist die Urlaubsanordnung jedoch in jenen Unternehmen, die auch während der Corona-Beschränkungen grundsätzlich geöffnet und keinen behördlichen Betretungsverboten unterworfenwaren, die aber aus anderen Gründen, wie zum Beispiel weniger Kundenfrequenz oder internen Beschränkungen zum Schutz der Mitarbeiter, ihre Mitarbeiter freigestellt oder weniger Umsatz erzielt haben. Hier muss für den Urlaubsverbrauch weiterhin das Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer gesucht werden. Eine einseitige Anordnung durch den Arbeitgeber ist hier, wie bisher generell sonst im Arbeitsrecht vorgesehen, nicht möglich.

Wenn die Voraussetzungen für die Urlaubsanordnung vorliegen, wie viel Urlaub muss der Arbeitnehmer auf Anweisung des Arbeitgebers verbrauchen?

KROPIUNIG: Grundsätzlich müssen über Anordnung alle
Zeitguthaben und der „alte Urlaub“ aus den Vorjahren verbraucht werden. Hier ist darauf zu achten, dass das Urlaubsjahr
nicht mit dem Kalenderjahr ident sein muss, da das Urlaubsjahr mit dem Eintritt des Arbeitnehmers ins Unternehmen beginnt. Vom laufenden Urlaub kann der Verbrauch von bis zu zwei Wochen angeordnet werden. Maximal kann der Arbeitgeber aber nur acht Wochen Urlaub, bestehend aus Zeitguthaben, alten und neuen Urlaub anordnen. Alles darüber hinaus ist unzulässig. Bestehen Zweifel, ob Urlaub angeordnet werden kann oder eine derartige Anordnung befolgt werden muss, empfiehlt es sich, die Beratung durch einen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen.

WIE BEKOMME ICH DEN EINTRITTSKARTENPREIS FÜR ABGESAGTE VERANSTALTUNGEN ZURÜCK?

Herr Mag. Dlaska, derzeit steht in den Sternen, ob und wenn ja, wann Großveranstaltungen wieder stattfinden werden, viele wurden auch schon abgesagt. Wie ist der Rückersatz der Kosten stornierter Veranstaltungen geregelt?

DLASKA: Nach langer Unsicherheit wurde durch eine Verordnung rechtliche Klarheit geschaffen. Für alle nach dem 13. März 2020 abgesagten Veranstaltungen hat der Veranstalter die Möglichkeit, statt des Rückersatzes des Kartenpreises auch Gutscheine an die Kartenkäufer auszugeben. Dies muss der Kartenkäufer im eingeschränkten Umfang akzeptieren. Wird damit aber nicht das Risiko, z. B. wenn der Veranstalter in Konkurs geht und die Gutscheine deswegen wertlos werden, auf den Kartenkäufer übertragen? DLASKA: Das ist bedingt richtig. Der Gesetzgeber hat hier versucht, durch ein Stufensystem das Risiko auf Kartenkäufer und Veranstalter zu verteilen. Bis zu einem Kartenpreis von 70 Euro muss der Käufer einen Gutschein akzeptieren. Bei teureren Karten bis 250 Euro kann der Käufer darauf bestehen, dass ihm der Differenzbetrag zum Gutschein von 180 Euro ausbezahlt wird. Bei einem Kartenpreis über 250 Euro kann der 250 Euro übersteigende Betrag vom Veranstalter wieder in Gutscheinen abgelöst werden. Natürlich kann der Veranstalter auch den gesamten Kartenpreis rückerstatten. Ein Rechtsanspruch darauf besteht aber nicht.

Mag. Wolfgang Dlaska, Vizepräsident der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer
Mag. Wolfgang Dlaska, Vizepräsident der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer © M. GRABNER/ SALON DELUXE

Wenn die Veranstaltung aber nicht nachgeholt wird oder der Käufer beim neuen Veranstaltungstermin nicht kann? Was ist da vorgesehen?

DLASKA: Wenn der Gutschein vom Kartenkäufer nicht bis zum 31. 12. 2022 eingelöst wird, hat dieser einen Anspruch auf Auszahlung des Gutscheinwertes, der beim Veranstalter eingefordert werden muss. Die Gutscheine sind auch auf jede andere Privatperson übertragbar, diese können auch für andere Ereignisse desselben Veranstalters verwendet werden. Aus diesem Grund darf der Veranstalter bei der Ausstellung des Gutscheines auch die Einlösung für andere Veranstaltungen nicht ausschließen. Das Risiko, dass die Gutscheine wertlos werden, wenn diese nicht vor dem 31. 12. 2022 eingelöst werden und der Veranstalter in Konkurs geht, liegt für den Gutscheinwert somit letztendlich beim Kartenkäufer.