Egal, ob "Ally McBeal", "Law and Order", "Suits", "Better Call Saul", "Damages", "Goliath" oder "Good Wife": Anwältinnen und Anwälte, Richterinnen und Richter, Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sind dankbare Serienfiguren. Heldinnen und Helden, die zwischen Gut und Böse nicht nur changieren, sondern verhandeln und mitunter auch darüber urteilen. Im Hintergrund oder auf der Bühne Gerichtssaal. Und dabei oft selbst in ganz persönliche Moralkrisen geraten. Justizserien boomen schon ewig und ein Ende ist nicht in Sicht. Große Dramen oder Vergehen werden im zwischenmenschlichen Kosmos weitererzählt, Gesetze werden gebrochen oder zurechtgebogen. Das ist oft vorhersehbar, aber mindestens genauso oft spannend.
Die BBC-Serie "The Split - Beziehungsstatus ungeklärt", von der es bisher zwei Staffeln gibt, ist fantastisch, realitätsnah und packend erzählt. Ideengeberin und Drehbuchautorin Abi Morgan rückt eine Familie von Anwältinnen in den Fokus: Familienoberhaupt Ruth Defoe (Deborah Findley), die von ihrem Mann verlassen wurde, hat sich zur "Doyenne des Familienrechts" gemausert und nebenbei drei Töchter großgezogen. Sie hat alle und alles nicht nur im Blick, sondern zieht auch gern, ungeniert und rücksichtslos die Fäden im Leben ihrer erwachsenen Töchter. Beruflich sowieso, aber auch privat. Auf ihrer Geburtstagsparty zum 70er zollt ihr die Tochter mit diesem von ihr verwendetem Zitat Respekt: „Männer kommen und gehen, doch die einzige Beziehung, die wirklich wertvoll ist, ist die, die du mit dir selbst führst.“ Doch dann kehrt ausgerechnet der Ex-Mann und frühere Familienvater, der einst mit einer deutlich jüngeren Nanny abgehauen ist, plötzlich zurück. Das große Drama ist vorprogrammiert. Die Neuschreibung der Familiengeschichte aber auch.
Eine der Töchter, Hauptfigur Hannah Stern (Nicola Walker), hat die Familienkanzlei und ihren Nachnamen aufgegeben, um bei der Konkurrenz anzudocken. Sie ist klug, brillant, hart und hat dennoch das Kindeswohl im Auge, worunter ihr neuer Boss leidet. Der hätte lieber, dass sie in Scheidungsfällen öfters vor Gericht zieht und keine kostengünstigeren Vergleiche mehr anstrebt. Außerdem bevorzuge er Scheidungen von Prominenten, das bringe mehr Publicity. Der Leak einer Seitensprung-Webseite verhilft allen Scheidungskanzleien in London über Nacht zu Aufträgen.
Blöd nur, dass auch Hannahs Mann auf der Liste steht. Mit ihrem Anwaltskollegen Nathan (Stephen Mangan) ist sie seit 20 Jahren verheiratet und hat drei Kinder. Die Ehe wackelt. Eigentlich schon davor. Denn einen Tag vor der Hochzeit hat Hannah Nathan mit Christie (Barry Atsma, den man aus "Bad Banks" kennen könnte) betrogen. Und ausgerechnet der arbeitet auch für ihren neuen Boss. Und es knistert noch immer. Klingt nach Anwalt-Soap-Opera. Die britische Serie brilliert aber mit feiner Figurenzeichnung, packenden Geschichten, starken Plots und äußerst pointierten Dialogen, die Klischees großzügig umschiffen. Das hat Seltenheitswert. Und Morgan, die unter anderem für die Bücher von "Die Eiserne Lady", "Shame" und "Suffragette" verantwortlich zeichnet, hat erneut bewiesen, dass sie auch wunderbare Serien machen kann.
Als Anwaltsserie ist "The Split" schon großartig, als Familienserie ist sie aber eine Wucht. Ärgerlich, dass der NDR die Serie seit 25. März Montags in den Spätabend verräumt. Die gute Nachricht lautet aber: Man kann sie sich zur Gänze im Original (!) in der Mediathek von ARD oder NDR ansehen.