Ganz egal, wie nüchtern man die Debatte, wie sauber moderne Diesel nicht nur auf dem Papier sein mögen, führen mag, und egal, welcher Hersteller bei den Emissionswerten nun wie viel geschummelt haben mag – das Mäntelchen des Klimakillers hat das Auto umgehängt bekommen. Umso wichtiger ist es, sich mit diesem Thema sachlich zu beschäftigen. Der Straßenverkehr trägt mit 14 Prozent einen gewichtigen Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß, doch was bedeutet das eigentlich? Woher kommen die restlichen 86 Prozent, und gibt es eine magische Grenze, ab der sich der Klimawandel aufhalten lässt? Dazu muss man ein wenig weiter ausholen, denn Abgase schön und gut – doch von welchen reden wir hier eigentlich?
Feinstaub von gestern. Und dann gibt es noch das Schreckgespenst der Nuller-Jahre – den Feinstaub. Im Nachhinein ist es fast schon ein Paradoxon, dass man nicht schon eher dieses Thema aufgegriffen hat, wenn man sich an die damaligen Turbodiesel und ihre tiefschwarzen Wolken erinnert, die aus den Auspuffrohren kamen. Dabei war das, was man sehen konnte, noch das Harmloseste. Feinstaub besteht nämlich aus für das menschliche Auge unsichtbaren Partikeln mit einem Durchmesser von nicht einmal einem hundertstel Millimeter. Je kleiner, desto gefährlicher, da die Partikel ungehindert in die Lunge dringen können. Besonders gefährlich: Ultrafeinstaub von 0,1 Mikrometer Durchmesser. Dieser gelangt über Lungenbläschen ins Blut und kann dort für Entzündungen sorgen.
Mit Partikelfiltern bekam man dieses Problem bei Selbstzündern weitgehend in den Griff. Dafür gelangen moderne Benziner jetzt ins Fadenkreuz. Immer höhere Kompressionswerte erhöhen zwar den Wirkungsgrad, fördern aber auch hier die Rußbildung, sodass man auch bei diesen Schüttelhubern nicht mehr um einen Partikelfilter umhinkommt. Und bevor Freunde des Elektroautos jetzt in Jubel ausbrechen – selbst diese Fahrzeuge produzieren Feinstaub, da auch Reifenabrieb und Bremsstaub die sogenannten PM10-Partikel erzeugen. Dank des enormen Drehmoments und des daraus resultierenden erhöhten Verschleißes sogar ein bisschen mehr.
Welcher Verkehr? Fairerweise muss man sagen, dass sich zumindest im Sektor des Straßenverkehrs in den letzten Jahrzehnten wirklich viel getan hat. Der CO2-Ausstoß ging seit 2000 um 20 Prozent zurück. Und das Umweltbundesamt schätzt, dass die NOX-Emissionen von Autos mit Verbrennungsmotoren dank immer strengerer Abgasnormen bis 2030 um 56 Prozent sinken werden – der Ausstoß von Feinstaub sogar um 82 Prozent.
Gefährliches Halbwissen. Natürlich ist das, was auf unseren Straßen herumkurvt, nicht alles. Es gibt ja noch den Schiffs- und Flugverkehr, die wahren Übeltäter. Oder nicht? Hier wurden in den letzten Jahren zahlreiche Werte wild vermischt und fragwürdig interpretiert. Fangen wir mit den Schiffen an: Die Aussage, dass die 15 größten Containerschiffe so viel Abgase ausstoßen wie 760 Millionen Autos, klingt für uns Autofahrer zwar sehr beruhigend, stimmt so aber leider nicht. Tatsache ist: Während der Pkw-Verkehr für 14 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist, kommen von der Schifffahrt gerade einmal drei Prozent dazu. Tatsächlich schwere Umweltsünder sind Schiffe hingegen beim NOX-Wert. Als Treibstoff kommt hier nämlich Schweröl zum Einsatz. Darunter versteht man sprichwörtlich den Sud, der auf den Böden der Raffinerien bei der Benzin- und Dieselgewinnung zurückbleibt. Diese tiefschwarze Masse muss zum einen erst einmal angeheizt werden, um überhaupt brennfähig zu sein. Und zum anderen enthält Schweröl bis zu 3,5 Prozent Schwefel, was 3500 Mal mehr ist als in den Kraftstoffen, die wir an den Zapfsäulen kaufen. Katalysatoren oder Partikelfilter sucht man bei den meisten Kähnen vergeblich, und nur in Küstengewässern wurde der Einsatz von speziellem Schiffsdiesel vorgeschrieben, der seit 2015 nur mehr 0,1 Prozent Schwefel enthalten darf. Klingt super, nur ist das immer noch gut 100 Mal mehr, als der Straßensprit enthalten darf. Somit kommt die Schifffahrt auf einen NOX-Anteil von 15 Prozent, bei Schwefeldioxid auf 13 Prozent. Chancen auf Besserung? Derzeit kein Land in Sicht. Auch hier könnte man theoretisch mit Partikelfiltern viel erreichen, jedoch fehlt in internationalen Gewässern einfach die juristische Handhabe.
Über den Rußwolken. Bleiben noch die Flugzeuge. Im Vergleich zu früher hat sich die Emissionsmenge zwar drastisch reduziert, was man allein schon daran erkennt, dass aus den Triebwerken keine schwarzen Wolken mehr kommen. Dennoch gibt es ein grundsätzliches Problem bei der Abgasreinigung – es gibt nämlich keine. Jeder Jet wird von Turbinen-Strahltriebwerken angetrieben, die einen Teil ihres Schubs aus den heißen Abgasen beziehen, die mit der angesaugten Außenluft hinten wieder herausgeschossen werden. Ein Filter würde den Strömungswiderstand deutlich erhöhen, was alles in allem einfach nicht funktionieren würde. Das ist insofern schlimm, als man die Abgase (ähnlich wie bei Dieselautos) zwar nicht sieht, diese dafür umso gefährlicher sind. Der produzierte Ruß ist nur wenige Makrometer groß, noch kleiner also als der von Selbstzündern – und damit für jedes Lebewesen brandgefährlich. Die Partikel können noch tiefer in die Lunge eindringen, zumal die schiere Menge einem ohnehin den Atem stocken lässt: Benjamin Brem, Ingenieur bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Dübendorf, erzählte in einem Interview: „Im Taxischub (der Weg, den ein Flugzeug zur Startbahn zurücklegt) entspricht eine Sekunde Laufzeit etwa 60 Kilometer Autofahrt eines Euro-6-Dieselfahrzeugs mit Filter.“ Vom Ausstoß in vollem Betrieb wollen wir gar nicht erst reden.
Alles in allem sind das laut Manfred Aigner, Fachmann für Verbrennungstechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart, aber nur drei bis sechs Prozent der Menge, die aus den Strahltriebwerken herauskommt. „Davon ist wiederum ein sehr großer Anteil CO2.“ Wirklich schlimm ist bei den Fliegern aber der Ort, wo sie es absondern: ganz weit oben, genau dort also, wo Kohlendioxid sehr viel Schaden anrichten kann. Laut Lars Mönch vom Umweltbundesamt Dessau ist die negative Klimawirkung eines Verkehrsflugzeugs zwei bis drei Mal so hoch wie bei einem Kleinwagen, heruntergerechnet pro Passagier und zurückgelegtem Kilometer. Das ist aber noch nicht alles.
Da es in den Brennkammern bis zu 2000 Grad heiß wird, entsteht Stickstoffdioxid, was in den typischen Höhen, in denen sich Verkehrsflieger aufhalten, zu einer Ozonvermehrung führt und dem Klima kräftig einheizt. Den theoretischen Effekt des Ozonabbaus gibt es zwar, aber nur in Höhen, in denen sich Überschallflugzeuge tummeln – und die sind bekanntlich ja eher spärlich gesät. Was tun also? Eine ganz andere Komponente weiterentwickeln: den Sprit. Forschungen der ETH Zürich haben ergeben, dass wenn man die im Kerosin enthaltenen Aromaten um nur fünf Prozent reduziert, die Emissionen beinahe halbiert werden können. Oder aber man steigt gleich auf Bio-Kerosin um, das zum Beispiel aus Algen hergestellt werden könnte.
Der Dunst der anderen. Bleibt natürlich die Frage, ob der Verkehr die alleinige ausschlaggebende Quelle dieser giftigen Stoffe ist. Eines können wir vorwegnehmen: bei Weitem nicht. Nur zwei Beispiele: Drei Zigaretten produzieren zehn Mal so viel Feinstaub wie aus dem Auspuff eines Euro-3-Diesel-Pkw in einer halben Stunde gelangen. Und wer zu Hause einen Adventskranz mit vier Kerzen anzündet, überschreitet die Grenzwerte, die für NOX auf der Straße gelten, im Nu.
Doch schauen wir uns das im Detail einmal an: Dass Raucher am gefährlichsten leben (der Feinstaubanteil kann in verrauchten Wohnungen 20 Mal so hoch sein wie der auf der Straße erlaubte Wert), ist hinlänglich bekannt. Neben Kaminen sind aber auch Räucherstäbchen fast genauso schädlich wie der Glimmstängel. Schließlich verbrennen zusätzlich Benzol, Formaldehyd, Harz, Aromastoffe und vieles mehr.
Der gerne zitierte Adventkranz ist aber schon wieder so eine Meldung, die zwar beängstigend klingt, aber trotzdem kritisch zu hinterfragen ist. Wissenschaftler aus Hongkong haben sich den Stickoxid-Ausstoß mehrerer Kerzenmodelle einmal genauer angesehen. Die „giftigste“ Kerze kam auf eine NOX-Menge von 1120 Mikrogramm, was bei vier Stück und einer Wohnung mit 60 Kubikmeter Luft ungefähr 18,5 Mikrogramm pro Kubikmeter ergibt – das sind deutlich weniger, als auf der Straße erlaubt sind.
Ob die Maßnahmen, die gegenwärtig gegen Stickoxid gesetzt werden, aber wirklich Einfluss auf die weltweite Belastung haben, bleibt offen. Denn 20 Millionen Tonnen davon werden jährlich von einer ganz anderen Quelle erzeugt: von Blitzen.