1)Die Hoffnung von Wahlgewinner Sebastian Kurz, möglichst schnell eine Regierung zu bilden, vielleicht sogar zum Nationalfeiertag, dürfte sich nicht erfüllen. Die Freiheitlichen wollen nach zehn jahren Daueropposition in die Regierung, die meisten Mitglieder und die Basis wollen das, man wird sich aber den Eintritt in die Koalition teuer abkaufen lassen - nicht nur durch Posten, wie immer behauptet wird, sondern auch inhaltlich, etwa durch die Abschaffung des Kammerzwangs, mehr Schutz an der Grenze, die Ausweitung der direkten Demokratie. Ohne blaue Handschrift kein Eintritt in die Koalition.
2)Ich glaube auch nicht, dass die Verhandlungen ohne Krise ablaufen werden. Da kann es durchaus vorkommen, dass plötzlich Rotblau sondiert wird, gleich wohl das die Partei in eine wilde Zerreißprobe stürzen würde. Ein Ausweg wäre eine Urabstimmung, der Willkommenskultur-Flügel wird sich nicht darauf einlassen, weil er unter die Räder kommt.
3)Häupl wird nie und nimmer einer rotblauen Koalition zustimmen, weil er Schwarzblau als einiges Moment für etwaige Weichenstellungen in Wien braucht.
4)Dass Rotblau aktuell geheim verhandelt wird, ist ein Spin der Kurz-ÖVP und absoluter Unsinn.
5)Das von gewissen Kreisen in der ÖVP propagierte Modell einer Minderheitsregierung mit Experten ist, so glaube ich, wenig wahrscheinlich, weil mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden. Womöglich würde so eine Regierung nicht einmal das erste Budget durch das Parlament bringen, was Neuwahlen im Frühjahr 2018 nach sich ziehen würde. Ob das die Österreicher wollen? Mir fehlt das Gefühl, ob Kurz dieses Experiment wagen würde.
6)Dass die Grünen aus dem Nationalrat fliegen, ist ein innenpolitischer Supergau. Damit ist das Kapitel noch gar nicht beendet. Im nächsten Jahr gibt es vier Landtagswahlen, in drei sitzt man in der Landesregierung (Salzburg, Tirol, Kärnten). Fliegen die Grünen 2018 aus drei weiteren Regierungen? Und was ist 2020 in Wien? Ich wette, Pete Pilz tritt an und reißt dann die Vassilakou-Grünen vom Thron