Es gibt ihn noch, den Wiener Salon. Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll lud am Mittwoch abends eine kleine, aber feine Runde zu einem Gespräch mit dem Psychoanalytiker und Unternehmensberater Martin Engelberg in den Stadtwirt, ein bekanntes Wiener Innenstadtlokal. Engelberg, der mit der einstigen ORF-Redakteurin und jetzigen Chefin des Jüdischen Museums Daniel Spera verheiratet ist, ist der erste Österreicher seit 1945, der sich zu seiner jüdischen Herkunft und seinem Glauben offen bekennt, und an wählbarer Stelle für den Nationalrat kandidiert. Sebastian Kurz hatte bei Engelberg, der dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde angehört, im Sommer vorgefühlt (den Bericht über die historische Kandidatur lesen Sie in der Freitagausgabe der Kleinen Zeitung).
Kleiner Einschub: Auffällig ist die Wortwahl, der sich Kurz beim Verweis auf unsere Vergangenheit neuerdings bedient. Auch bei der Präsentation des dritten Teils seines Wahlprogramms am Donnerstag Vormittags war nicht mehr, wie in der Vergangenheit, vom „christlich-abendländischen Erbe“, sondern vom „christlich-jüdischen-aufgeklärten Erbe“ die Rede. Ob es Engelberg war, der den ÖVP-Chef zu der kleinen, aber bedeutsamen Korrektur bewogen hat, wollte der Neo-Politiker nicht enthüllen.
Natürlich wurde bei dem Wiener Salon auch der Versuch unternommen, Pröll etwas über die aktuelle politische Situation zu entlocken. Der nunmehrige Konzernchef bleib der Tradition treu, keine Kommentar über die aktuelle Innenpolitik zu verlieren. Nur zwei Bemerkungen ließ er sich entlocken. „Gott sei dank hat sich Kurz ein Jahre auf die Wahl vorbereitet. Man sieht bei Kern, was passiert, wenn man unvorbereitet ist.“ Bemerkenswerter der andere Einschub: Dass Kurz die ÖVP an die Kandare nehmen konnte, liege auch am Abgang seines Onkels Erwin. „Das ist eine die neue Aufstellung, das wäre früher undenkbar gewesen.“
In kleinerer Runde wurde anschließend über den möglichen Wahlausgang und allfällige Optionen für die Zeit danach diskutiert. Ohne meine Quellen verraten zu wollen - Josef Pröll war längst gegangen, war aus berufenem Mund zu erfahren, dass Kurz, sollte er gewinnen und Kanzler werden, in den ersten 100 Tagen ein politisches Feuerwerk abschießen und ein umfangreiches, ehrgeiziges Maßnahmenpaket beschließen werde. Mit wem als Koalitionspartner? Allein, als Minderheitsregierung. Wie das gehen würde? Das erste Budget würde man noch mit den anderen Parteien beschließen. Und dann? Wenn die anderen Parteien quertreiben, müsste man Neuwahlen vom Zaun brechen – mit dem Argument, angesichts einer destruktiven Opposition müsse man leider noch einmal um das Vertrauen der Österreicher bitten.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Szenario einer Minderheitsregierung in ÖVP-nahen Kreisen die Runde macht. Übrigens: Mit diesem Modell startete Bruno Kreisky seine überaus erfolgreiche Karriere als Bundeskanzler.