Dass ein Spitzenpolitiker ein Medium auf die rote Liste setzt, ist ein in Österreich ungewöhnlicher Vorgang. In Ansätzen erinnert das  Vorgehen an Helmut Kohl, der während seiner nahezu zwei Jahrzehnte währenden Kanzlerschaft dem "Spiegel" nie ein Interview gegeben hat, weil er sich von dem Wochenmagazin schlecht behandelt fühlte. 

Nun fühlt sich Kern schlecht behandelt, nicht weil die Zeitung einem Schlüssellochjournalismus gefrönt und Ungustiöses aus dem Privatleben zu Papier gebracht hat, sondern weil Österreich interne SPÖ-Papieren ausgewalzt hat, die den Parteichef in einem schlechten Licht erscheinen lassen. 

Paradoxerweise liefert Kern mit seinem Interview- und Inseratenboykott den in den internen Papier erhobenen Vorwurf der Dünnhäutigkeit, gleich wohl der Kanzler in einem Punkt in Schutz zu nehmen ist: Der Ton macht die Musik. Fellners gnadenlose Zuspitzung der Enthüllungen mit Fotoshop-verfremdeten Illustrationem in einem kampagnenartigen Stil ist einem seriösen Journalismus unwürdig.

Dass Spitzenpolitiker ihre Pressearbeit immer weniger als Dienstleistung gegenüber dem Bürger, sondern als ein Vehikel der politischen Selbstvermarktung ansehen, wäre eine eigene Abhandlung wert. (Macron hat seit seiner Wahl weder dem Le Monde noch dem Figaro ein Interview gewährt, auch stellte er sich am Nationalfeiertag nicht in alter Tradition den Fragen der TV-Anstalten.)

Wenn schon die Politik ihre Inseraten- und Anzeigenpolitik überdenken will, sollten objektiven Kriterien zugrunde gelegt werden. So etwa die Einhaltung des Kodex des Presserats, der penibel darauf schaut, ob sich Medien an die Spielregeln einer fairen, die Privatsphäre achtenden Berichterstattung halten. Die Tageszeitung "Österreich" liegt beim Ranking auf Platz zwei -  beim Ranking der Verstöße (nach der Kronen Zeitung).