Nach Meinung mancher ist bereits alles fix: Nach dem 15. Oktober stehe uns eine Neuauflage des schwarzblauen Experiments des Jahres 2000 bevor. Dass man hier tendenziell ein Schreckgespenst an die Wand malen will, steht außer frage. Doch stimmt es wirklich?
Selbst wenn Kameras und Mikrophone ausgeschalten sind, lässt sich Sebastian Kurz wenig entlocken. Ich habe ihn in New York ein paar Tage begleitet. Mein Eindruck ist: Der ÖVP-Spitzenkandidat wartet den Wahlsonntag ab und lässt es auf sich zukommen.
Zu recht.
Niemand weiß zum heutigen Zeitpunkt, wie das Kräfteverhältnis nach der Wahl aussieht, und das ist für die Koalitionsbildung entscheidet. Wer verhandelt aus einer Position der Stärke, wer aus einer Position der Schwäche? Ist die OVP wirklich klar vorne oder nur sehr knapp? Wie groß sind die Abstände zu SPO und FPÖ? Sollte die SPO nur knapp dahinter sein, kommt vielleicht doch Rotblau? Sollte die SPÖ deutlich verlieren, werden die Wiener Regimenter tatsächlich Doskozil zum neuen Parteichef machen? Sehr fraglich. Legt Strache klar oder nur knapp zu? Viele Fragen, wenige klare Antworten.
Offen ist auch, ob sich die FPÖ mit der ÖVP neuerlich einlassen will. Strache, Kickl sind schwarzblau-traumatisiert. Dass alle ÖVP-Industriellen und Kurz-Finanziers kollektiv eine Koalition mit der FPÖ herbeisehnen, ist ein Mythos. Ich kenne kaum einen Industriellen, der Hofer als Bundespräsidenten wollte - aus Angst um den Ansehensverlust Österreichs, der wirtschaftliche Nachteile nach sich gezogen hätte.
Derzeit macht das Gerücht die Runde, Kurz plane eine Minderheitsregierung, um nach dem Vorbild von Bruno Kreisky nach ein, zwei Jahren die Reissleine zu ziehen - ein sehr gewagtes, wenig wahrscheinliches Experiment. Spekuliert wird auch über eine Vierparteienkoalition mit Neos, Grünen, Pilz (Pilz als Innenminister) - ein nicht minder gewagtes Experiment. Ist ein solches Quartett überhaupt handlungsfähig?
Was Kurz hofft, ist ein deutliches Votum, um aus einer Position der Stärke - so die Hoffnung - sich die Konstellation auszusuchen. Schwarzblau hat - Stand heute - leichte Vorteile, aber fix ist nichts. Es sind immer noch drei Wochen bis zur Wahl,
Abwarten, heißt die Devise.