Transfer zu Bayern München, jüngster portugiesischer Teamspieler bei einem Fußball-Großereignis: Renato Sanches ist in aller Munde. Der 18-Jährige absolvierte bei der Endrunde in Frankreich bisher zwar nur 134 Minuten, konnte dabei aber durchaus überzeugen. Im Viertelfinal-Duell mit Polen am Donnerstag in Marseille könnte der Offensivspieler seinen märchenhaften Aufstieg fortsetzen.
Sanches ist keiner, der es langsam angehen lässt. Wenn der bullige Mittelfeldspieler bei dieser EM aufs Feld kommt, bleibt das nicht unbemerkt. Er fordert den Ball, dribbelt und geht mit seinen Pässen Risiken ein. Das fällt auch deshalb auf, weil seine Teamkollegen bisher einen ökonomischen Spielstil pflegen. Das Achtelfinale gegen Kroatien war besonders für die portugiesischen Fans eine Qual, bis der in der 50. Minute eingewechselte Sanches für etwas Leben sorgte. Er war an der Entstehung des Siegestreffer in der 117. Minute mitbeteiligt und wurde als Belohnung zum "Man of the Match" gekürt.
Die Anhänger und Medien in seiner Heimat fordern nun schon etwas vehementer die Beförderung des Teenagers in die Startformation. Bisher musste er sich mit drei Teileinsätzen begnügen, nur beim 0:0 gegen Österreich kam er gar nicht zum Zug. Dass Teamchef Fernando Santos das Talent maßvoll einsetzt, hat seine Gründe. Manchmal fehlen dem Neo-Bayern-Kicker noch Ruhe, Übersicht und vor allem Genauigkeit im Spiel. Gegen Kroatien leistete er sich zudem eine Tätlichkeit gegen Luka Modric, die eigentlich den Platzverweis hätte bedeuten müssen.
Er sei noch nicht reif genug für die Startformation, versicherte vor einigen Tagen Jorge Jesus, der vorletzte Saison bei Benfica Lissabon sein Trainer war. Sanches reagierte auf die Aussage stilvoll und bestätigte, dass es im portugiesischen Kader erfahrenere und bewährtere Kräfte gebe. So kraftvoll und zielstrebig sich der Mittelfeldspieler mit dem Ball am Fuß präsentiert, so zurückhaltend und überlegt tritt er nach Schlusspfiff auf. "Wenn ich spiele, spiele ich. Wenn nicht, dann nicht. Ich respektiere da völlig die Entscheidungen von Mister Santos. Ich bin erst 18 - und spiele schon bei einer EM", sagte der Ex-Benfica-Lissabon-Kicker.
Erst vor acht Monaten hatte Sanches in der portugiesischen Liga sein Debüt gegeben, vor drei Monaten folgte die Premiere im Teamdress. Nun kamen mit dem Wechsel um mindestens 35 Millionen Euro zu den Bayern sowie den EM-Auftritten die nächsten Highlights hinzu. "Es ist ein Traum, der wahr geworden ist. Ich muss mich ab und zu zwicken, um sicher zu sein, dass das alles passiert ist", gab Sanches zu.
Der Sohn einer kapverdischen Mutter und eines Vaters aus Sao Tome und Principe galt schon als Kind als Ausnahmetalent. Immerhin 750 Euro und 25 Spieler übergab Benfica 2006 an den Lissaboner Vorstadt-Club Aguias Musgueira, um ihn in seine Nachwuchsabteilung zu integrieren. Das hat sich bezahlt gemacht. Bei den Bayern genießt Sanches große Vorschusslorbeeren. Neo-Coach Carlo Ancelotti bezeichnete den 1,76-Meter-Mann im "Corriere dello Sport" als "Phänomen".