Kroatien gegen Portugal heißt das mit Spannung erwartete Achtelfinal-Duell in Lens (21.00 Uhr).
Allein die Namen Luka Modric und Cristiano Ronaldo zeigen, dass damit gleich zu Beginn der K.o.-Runde die beiden bestbesetzten Teams der oberen Rasterhälfte der K.o.-Runde aufeinandertreffen. Wer dieses Spiel gewinnt, hat zumindest auf dem Papier die große Chance, ins Endspiel am 10. Juli im Stade de France in St. Denis durchzumarschieren.
"EM ist unsere große Chance"
Die Kroaten gehen mit dieser Aussicht sehr offensiv um. "Wir haben großen Respekt vor Portugal. Aber wir sind eine der besten, wenn nicht sogar die beste Mannschaft bei diesem Turnier. Diese EM ist unsere große Chance", betonte ihr Stürmer Nikola Kalinic.
Für ein kleines Land, das bei einem großen Turnier bisher nur einmal in einem Halbfinale stand - bei der WM 1998 in Frankreich -, mögen das recht forsche Töne sein. Aber inhaltlich ist dem Fiorentina-Angreifer kaum zu widersprechen. Mit ihrem Mut, ihrer Hingabe und ihren technischen Fähigkeiten haben die Kroaten bei dieser EURO bisher tatsächlich den stärksten Eindruck hinterlassen. Erst am Dienstag besiegten sie auch ohne fünf Stammspieler den zuvor seit 20. Juni 2004 (0:1 gegen Gastgeber Portugal) in 14 EM-Spielen ungeschlagenen Titelverteidiger und Rekordeuropameister Spanien mit 2:1.
Kein Topfavorit vor dem Finale
Ivan Perisic, zuletzt Siegtorschütze gegen den Titelverteidiger, warnte allerdings: "Wenn wir jetzt im Achtelfinale verlieren, war alles vorher nichts wert." Doch warum sollte Kroatien mit Ausnahmekönnern wie Modric oder Barcelona-Star Ivan Rakitic Angst haben vor einem portugiesischen Team, das in der Österreich-Gruppe F kein einziges Spiel gewann? Oder vor den Schweizern, Polen, Belgiern oder Walisern, die danach als weitere mögliche Gegner auf dem Weg ins Endspiel warten könnten?
Vielleicht gerade weil es sich in dieser Turnierhälfte um "einen mit Rosen bedeckten Weg ins Finale" handelt, wie die "Süddeutsche Zeitung" vor dem Achtelfinale schrieb. Im Gegensatz zu jener "Route voller Schlaglöcher", auf der sich parallel die Spanier, Italiener, Franzosen, Engländer sowie Weltmeister Deutschland abmühen müssen.
Portugal 2012 im Halbfinale
Auch die Portugiesen können den Spielplan lesen. Er erinnert sie ein wenig an die EM 2012 in Polen und der Ukraine, als sie mit einer Niederlage gegen Deutschland und einem Zitterspiel gegen Dänemark ebenfalls nur schwerfällig ins Turnier gestartet waren und am Ende auf einmal im Halbfinale standen, in dem erst mit 2:4 im Elferschießen gegen die Spanier das Aus kam.
"Jetzt fängt alles wieder bei Null an", strapazierte der erst 18-jährige Benfica-Jungstar Renato Sanches, der künftig für Bayern München spielt, eine alte Fußball-Weisheit. "Unserer Mannschaft fehlt nichts, auch wir haben alles." Vor allem Ronaldo, möchte man hinzufügen. Und so lässt sich auch genauso gut fragen: Warum sollte jemand Angst vor Schweizern, Polen und selbst an diesem Samstag vor den so starken Kroaten haben, wenn er vom dreimaligen Weltfußballer und Toptorjäger des Champions-League-Siegers angeführt wird?
Ronaldo sieht 50:50-Chance
"Wir treffen auf eine sehr gute Mannschaft, die Chancen stehen 50:50", meinte Ronaldo vor dem Kroatien-Spiel. Nachsatz: "Aber auch wir haben unsere Waffen und unseren Wert" - und meinte damit vor allem sich selbst. Alleiniger Rekordspieler der EM-Historie ist er seit Mittwoch bereits. Und sollte Ronaldo wie zuletzt beim 3:3 gegen Ungarn auch diesmal zwei Tore schießen, würde er den Franzosen Michel Platini mit dann zehn Treffern an der Spitze der ewigen EM-Torschützenliste ablösen.
Auch seinem Aufeinandertreffen mit Club-Kollege Modric steht nicht mehr viel im Weg. Der Spielmacher musste gegen Spanien wegen Leistenproblemen pausieren. Doch seitdem trainiert der 30-Jährige wieder mit seinem Team, um bereit für das richtungsweisende Duell mit Portugal und Ronaldo zu sein.