Eine leitende Funktion im europäischen Fußballverband (UEFA) einzunehmen, gilt in vielen Kreisen als begehrenswertes Lebensziel. Erst recht während einer Großveranstaltung, wie der derzeit in Frankreich ausgetragenen Europameisterschaft. Einer, der eine solche Position innehat, ist der Kärntner Thomas Partl. Der 69-jährige pensionierte Richter ist Vorsitzender der Kontroll- und Disziplinarkommission, das rechtsprechende Organ der UEFA, das bei Verstößen jeglicher Art das Strafmaß für alle beteiligten Parteien bestimmt.

Thomas Partl
Thomas Partl © GEPA pictures

„Am schönsten wäre es, wenn wir nichts zu tun hätten“, erklärt Partl. Doch ganz so einfach hat es der zweifache Familienvater dieser Tage nicht. Denn die als Fußballfest angedachte Europameisterschaft hat schon kurz nach Beginn Risse. Zu sehr haben die Bilder der Auseinandersetzungen in Marseille rund um das Spiel zwischen England und Russland am Samstag die Öffentlichkeit geschockt. Sogenannte „Fans“ beider Seiten lieferten am Hafen einander und der französischen Exekutive blutige Auseinandersetzungen (zahlreiche Festnahmen folgten, ein englischer Fan schwebt nach wie vor in Lebensgefahr). Nachdem die Szenerie kurz vor Spielende im Stade Velodrome mit der Stürmung eines englischen Fan-Blocks durch russische Hooligans seine Fortsetzung gefunden hatte, reagierte die UEFA mit der Androhung drakonischer Strafen.

Ermittlungsverfahren eingeleitet

Während beide Nationalverbände aufgrund der Straßenschlachten verwarnt und im Wiederholungsfall mit dem EM-Ausschluss bedroht wurden, leitete die UEFA-Disziplinarkommission gegen Russland nach den Vorkommnissen im Stadion ein Ermittlungsverfahren ein. Bis heute um 16 Uhr hat der russische Verband Zeit, zu den Vorkommnissen im Stade Velodrome Stellung zu beziehen. „Man muss zwischen den Vorfällen in der Stadt und jenen im Stadion unterscheiden.

Unsere Kammer ist nämlich nur für das Stadion und die unmittelbare Umgebung zuständig“, gibt Partl Auskunft. Als Vorsitzender der zehnköpfigen Disziplinarkommission entscheidet er im Gremium spätestens bis Donnerstag über mögliche Sanktionen. Der ehemalige Präsident des Kärntner Fußballverbands will derzeit jedoch noch keine öffentliche Auskunft darüber geben, welche Strafe auf Russland im Falle einer Verurteilung zukommt, aber: „Die Bandbreite des Strafmaßes ist eine sehr große.“

Kritik an der Exekutive

Partl ist es allerdings wichtig zu betonen, „dass wir sowohl Russland als auch England mit unserer Verwarnung aufgefordert haben, den Fan-Aggressionen entgegenzuwirken“. Der UEFA-Rechtsprecher geht aber auch mit der französischen Exekutive hart ins Gericht: „Vielleicht wurde bei der Festsetzung der Sicherheitsmaßnahmen im Vorfeld das Hauptaugenmerk zu stark auf den Terrorismus gelegt.“ Vor allem bei den Vorfällen im Stadion machte die Exekutive keine gute Figur, kamen Polizisten den überforderten Sicherheitskräften zu spät zur Hilfe.
Dennoch gibt Partl die Hoffnung auf einen reibungslosen Ablauf des weiteren Turnierverlaufs in Frankreich nicht auf: „Natürlich waren die Geschehnisse nicht positiv. Aber ich hoffe, dass die richtigen Lehren daraus gezogen werden und nichts mehr passieren wird.“

UWE BLÜMEL