Viereinhalb Jahre bei Academica Coimbra, ein halbes Jahr bei Gil Vicente und zuletzt ein Jahr bei Tondela: Markus Berger hat im Land von Österreichs Fußball-EM-Gegner Portugal gute, aber auch schlechte Erfahrungen gemacht. Die Nationalmannschaft der Portugiesen verfolgte er dabei auf dem Weg zur EM-Endrunde genau und eines steht für ihn fest: "Ronaldo alleine wird es nicht richten."

Der Superstar von Real Madrid war im Vorfeld des Champions-League-Finales am 28. Mai in Mailand angeschlagen, im Duell mit Atletico aber über die volle Distanz im Einsatz und verwertete im Elfmeterschießen auch den letzten Versuch der "Königlichen". Danach ging es ab in den Urlaub, erst in der Woche des Turnierstarts stieß er zur Mannschaft.

Ronaldo genießt Sonderstellung

Ronaldo schloss zum sechsten Mal in Folge eine Saison mit mehr als 50 Pflichtspieltoren ab. Dass er bei so einer Bilanz der große Hoffnungsträger ist, ist klar. "Es liegt viel auf seinen Schultern, oftmals aber zu viel", schilderte Berger im Gespräch mit der APA. Innerhalb des Teams genießt Ronaldo eine Sonderstellung. "Wenn er den Mund aufmacht, spuren alle", so der Salzburger.

Der dreifache Weltfußballer des Jahres ist auch ein Mitgrund, warum die Erwartungen in Portugals Bevölkerung sehr hoch sind. "Die Leute in Portugal meinen, sie haben den besten Spieler der Welt in ihrem Team, und das reicht", weiß Berger. Die Latte für die Truppe von Coach Fernando Santos liegt daher sehr hoch. "In Portugal wird nicht nur erwartet, dass sie gegen Österreich gewinnen, sondern egal gegen welchen Gegner es geht", hat der 31-Jährige mitbekommen.

Einzelkämpfer

Ronaldo und Co. hat er durch seine aktive Zeit in Portugal genau auf die Füße geschaut, alle Länderspiele im letzten Jahr verfolgt. "Sie sind ein Haufen von Einzelkämpfern, haben nicht so eine Harmonie in der Mannschaft und nur wenig Teamgeist", analysierte Berger. Prunkstück ist die Offensive. "Sie sind keine Mannschaft, die sich versteckt, wollen das Spiel machen, setzen auf einen offensiven Fußball", analysierte der Ex-Rieder.

In der Defensive sind die Portugiesen dafür verwundbar. "Sie haben nicht die stärkste, sicherste Abwehr, sind da extrem anfällig", erklärte Berger. In der Innenverteidigung rechnete er mit Bruno Alves und Pepe, links mit Eliseu, rechts mit Wolfsburgs Vieirinha oder Southamptons Cedric Soares.

Auf jeder Position besser als Österreich

Im Vergleich mit der ÖFB-Auswahl seien die Portugiesen trotzdem auf dem Papier auf jeder Position besser aufgestellt. "Das heißt aber nicht, dass sie fix gewinnen werden. Nur gute Einzelspieler zu haben, zählt nicht mehr so viel im heutigen Fußball. Wichtig ist ein gutes Kollektiv", betonte Berger.

Da sieht der Abwehrspieler die Österreicher, wie bereits die Qualifikation gezeigt hat, gut aufgestellt. "Die Mannschaft hat sich unter Marcel Koller super entwickelt. Ich bin guter Dinge, auch da es als Underdog oft einfacher ist, etwas zu erreichen."

Unglaublich gute Jugendarbeit

Die höhere individuelle Klasse ist nicht das Einzige, das die Portugiesen Österreich voraus haben. "Die Jugendarbeit ist ein Wahnsinn. In den Akademien wird alles für die Spieler gemacht, für jeden Blödsinn gibt es einen eigenen Trainer. Das kostet unheimlich viel Geld, zahlt sich aber aus", erzählte Berger, der sich beim FC Porto und Sporting Lissabon selbst ein Bild gemacht hatte. Die portugiesischen Spieler seien viel interessanter für Topclubs. "Es sind technisch gute, offensive Spieler, die mit viel Talent und Spielwitz gesegnet sind", sagte der Innenverteidiger.

Die portugiesische Liga ist für diese ein tolles Sprungbrett. Dort geben der FC Porto, sowie die Lissabonner Topclubs Sporting und Meister Benfica den Ton an. "Rapid, Austria oder Salzburg könnten sicher in Portugal eine gute Rolle spielen, aber die ersten drei, vier Teams sind schon eine andere Liga", meinte Berger.

Der ÖFB-U21-Rekordteamspieler hätte selbst gerne im A-Team gespielt, schaffte aber nie den Sprung nach oben. "Als ich bei Odessa auf hohem Niveau gespielt habe, habe ich schon gehofft, dass ich eine Chance kriege. Ich habe mich aber damit abgefunden, bin keinem böse", sagte Berger. Der Koller-Truppe drückt er daher bei der EM "als Patriot" via TV fest die Daumen.