Brutale Gewalt überschattet den EM-Auftakt in der südfranzösischen Hafenmetropole Marseille: Bei Zusammenstößen zwischen Fangruppen vor dem Europameisterschaftsspiel England gegen Russland (1:1) sind am Samstag mindestens 31 Menschen verletzt worden. Ein britischer Fußball-Fan schwebt nach Angaben von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve in Lebensgefahr. In Nizza gab es sieben Verletzte.
An den gewalttätigen Auseinandersetzungen in Marseille waren neben englischen und russischen auch französische Randalierer beteiligt. Sechs Krawallmacher wurden festgenommen. Drei Polizisten wurden bei den Einsätzen leicht verletzt, wie der Polizeipräfekt von Marseille, Laurent Nunez, dem Sender BFMTV sagte.
Gewalt auch im Stadion
Auf dem Weg zum Stadion kam es vereinzelt zu Konflikten, im Stade Velodrome gegen Ende der Partie zu Gewalt. Offenbar stürmten russische Zuschauer auf in benachbarten Blöcken sitzende englische Fans los. Einige Zuschauer mussten sogar in den Innenraum springen, um sich in Sicherheit zu bringen. Ein Sprecher des englischen Fußball-Verbandes (FA) appellierte in einer nach dem Spiel verlesenen Erklärung an die englischen Fans, ihre Mannschaft respektvoll zu begleiten und verurteilte die Randale. Dagegen blieb es nach dem Spiel zunächst rund um das Stadion sowie im Zentrum von Marseille ruhig.
Auch in Nizza kam es zu Zusammenstößen von Fans mit der Polizei. Nach Angaben eines nordirischen Polizeibeamten, der nordirische Fans begleitete, begannen am Samstagabend 20 bis 30 lokale Jugendliche, die ausländischen Fans mit Flaschen zu bewerfen. "Einige Flaschen wurden zurückgeworfen, einige Schläge ausgeteilt", sagte der nordirische Beamte. Schließlich seien französische Polizisten eingetroffen, um die Lage zu befrieden. Sieben Personen wurden verletzt. Nordirland spielt am Sonntag in Nizza gegen Polen.
Polizei setzte Tränengas ein
In Marseille setzte die Polizei bei den Krawallen am alten Hafen wie auch an den beiden Vortagen immer wieder Tränengas ein, um die Hooligans auseinanderzutreiben. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Anhänger beider Teams mit großer Brutalität mit Stühlen, Metallstangen und anderen Gegenständen aufeinander losgingen. Sechs Krawallmacher wurden festgenommen.
Die Europäische Fußball-Union berät nach den Ausschreitungen über Konsequenzen. Vor weiteren Schritten wolle man Informationen des Disziplinarkomitees abwarten, hieß es am späten Samstagabend auf dpa-Anfrage. Zuvor hatte der Verband per Statement reagiert: "Die UEFA verurteilt entschieden die Vorfälle in Marseille. Menschen, die sich an solchen Gewaltakten beteiligen, haben keinen Platz im Fußball." Auch Innenminister Cazeneuve verurteilte die Ausschreitungen scharf.
Polizei kündigt konsequentes Vorgehen an
Nach ersten Zusammenstößen in den vergangenen Tagen hatte die Polizei angekündigt, weiter hart bei Ausschreitungen durchzugreifen. In Marseille seien 1200 Polizisten mobilisiert, sagte Polizeipräfekt Nunez. Für mögliche weitere Provokationen kündigte er an: "Wir werden sehr konsequent vorgehen."
Bereits am Donnerstag und Freitag war es mehrfach zu Zusammenstößen mit englischen Fans in Marseille gekommen. Die Polizei setzte auch dabei jeweils Tränengas ein.
Kevin Miles, Chef der englischen Fanvereinigung, sagte am Samstag dem englischen Sender Sky Sport News, es gehe um eine Minderheit der Fans. "Die große Mehrheit hat eine großartige Zeit, sie sind laut, haben eine Party und genießen das tolle Wetter."
Engländer sehen sich als Opfer
Miles sieht englische Fans auch als Opfer von Attacken. "Es waren Gruppen von Einheimischen und Gruppen von Russen, die hierherkommen und die Gewalt gestartet haben", sagte Miles. Einige Engländer hätten sich verteidigt. Auch Alkohol spiele dabei eine Rolle. "Es gibt englische Fans, die deutlich zu viel getrunken haben und nicht wissen, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen."
Randale englischer Fans hatte es ebenfalls in Marseille während der Weltmeisterschaft 1998 gegeben. Damals hatten sich zumeist betrunkene Anhänger der Three Lions über zwei Tage heftige Auseinandersetzungen mit einheimischen Jugendlichen und tunesischen Fans geliefert. Dutzende Menschen wurden verletzt.