Eine einzige WM-Teilnahme im Jahr 1958 in Schweden. So, damit wäre die Geschichte der fußballerischen Triumphe von Wales auch schon erzählt. So lange haben die Waliser, die stets neidisch auf die Erfolge des großen Nachbarn England, mit dem man sich ja auch die Fußball-Liga teilt, schielten, auf einen Befreiungsschlag wie diesen gewartet. Für die EM 2016 wurde die Qualifikation souverän eingefahren. Das gelang nicht einmal großen Walisischen Legenden wie Ian Rush oder Ryan Giggs. Nur zwei Punkte hinter den so starken Belgiern, dafür aber vier Punkte vor den im Playoff gescheiterten Bosniern holte man den zweiten Gruppenplatz.
Außer beim 3:0 gegen Israel und dem 2:0 gegen Andorra gab es ausschließlich knappe Ergebnisse. Dreimal gab es ein unspektakuläres 0:0, verloren hat man nur einmal gegen Bosnien. Bei lediglich elf geschossenen Toren, kann man durchaus davon sprechen, dass das Herz der Mannschaft die Defensive ist, die nur vier Tore kassierte. Und das, obwohl mit Real Madrids 101-Millionen-Rekordtransfer, dem pfeilschnellen Gareth Bale, und Arsenals Aaron Ramsey zwei torgefährliche Spieler im Kader stehen. Aber Nationaltrainer Chris Coleman spielt nunmal mit einer Fünferkette und zwei defensiven Mittelfeldspielern davor.
Diesen Kern in der Zentrale bilden arrivierte Kräfte aus der Premier League. Der Einsergoalie Wayne Hennessey (29) kommt von Christal Palace, die Innenverteidigung bilden Ashley Williams (31), vom walisischen Premier-League-Vertreter Swansea, West Broms James Chester (27) und West Hams James Collins (32). Davor ist Liverpools Joe Allen (26) sicher gesetzt. Nach vorne hin steht und fällt dann eigentlich alles mit dem frisch gebackenen Champions League Sieger Gareth Bale, der in der Quali siebenmal traf. Sieben von elf Toren sind auch auf die auf Konter ausgelegte Spielweise der Waliser zurückzuführen. Denn mit Bale haben diese den vielleicht schnellsten Spieler der EM im Kader, wie dieser Sprint zeigt:
Was ist nun bei der EM, wo man in der Gruppe neben der Slowakei und Russland ausgerechnet auf England trifft, von den Turnier-unerfahrenen Walisern zu erwarten? Das wird wohl vom richtungsweisenden ersten Match abhängen, vor dem man das 0:3 vom letzten Test gegen Schweden schnell vergessen muss. Erwischen Bale und Co am Samstag gegen die Slowakei, mit Rapid-Torhüter Jan Novota, einen guten Start, hat man im zweiten Match gegen England schon einmal weniger Druck.
Die Motivation dürfte speziell gegen England aber sowieso so riesig sein, dass man in jedem Fall als Sieger vom Platz gehen will. Schon alleine der Ehre wegen. Und dann stünde dem Achtelfinale ja schon quasi gar nichts mehr im Weg.
Philip Edlinger