Das passt doch wie die Faust aufs Auge: Ungarn ist nicht nur der erste Gegner Österreichs bei der EM-Endrunde in Frankreich, die Magyaren waren auch der erste Länderspielgegner des ÖFB in der Geschichte. Und das Ergebnis würden Alaba und Co. wohl gerne wiederholen, denn am 12. Oktober 1902 fegte der ÖFB mit 5:0 über den Ungarn hinweg.
Wie auch Österreich haben die Ungarn das letzte Testspiel verpatzt. Gegen Deutschland gab es in Gelsenkirchen eine 0:2-Niederlage. Einen Großteil der Vorbereitung haben die Ungarn in Österreich bestritten. In Leogang gab es intensive Trainingstage, die Öffentlichkeit wurde allerdings großteils ausgeschlossen.
Ungarns Fußball-Nationalteam befindet sich nach einer langen Durststrecke wieder auf dem Weg nach oben. Österreichs EURO-Gruppengegner belegte in der EM-Quali in Gruppe F Rang drei hinter Nordirland und Rumänien, aber noch vor Griechenland. Im anschließenden Play-off löste man durch ein Gesamt-3:1 über Norwegen das EM-Ticket und qualifizierte sich erstmals seit 30 Jahren für ein großes Turnier.
Betreut wird die Auswahl seit Juli 2015 von Bernd Storck. Der Deutsche fungierte zunächst als Sportdirektor und trat dann die Nachfolge von Nationalcoach Pal Dardai an, der sich ganz auf Hertha BSC konzentrierte. Im Oktober lotste Storck seinen Landsmann Andreas Möller als Co-Trainer zum ungarischen Verband. "Die Topfavoriten in unserer Gruppe sind Portugal und Österreich. Österreich hat eine hervorragende Mannschaft, die sich unglaublich weiterentwickelt hat. Sie haben nun vier internationale Meister mit, allein daran sieht man die Klasse, die sie haben", sagt Storck.
Im Kader des deutschen Betreuer-Duos stehen keine absoluten Top-Stars - bekannte Namen sind etwa Hannover-Stürmer Adam Szalai und Laszlo Kleinheisler. Letzterer debütierte im Play-off-Auswärtsspiel gegen Norwegen und erzielte prompt das Gold-Tor zum 1:0. Im darauffolgenden Winter ging der Offensivspieler zu Werder Bremen und wurde damit Clubkollege des ÖFB-EM-Starters Zlatko Junuzovic. Ungarns Spieler mit dem höchsten Marktwert ist Balazs Dzsudzsak von Bursaspor, der auf rund sechs Millionen Euro taxiert wird.
Die wohl schillerndste Figur im ungarischen Team ist aber Gabor Kiraly, einst bei Hertha BSC, Crystal Palace und 1860 München unter Vertrag und mittlerweile zu seinem Heimatclub Szombathely Haladas zurückgekehrt. Der in einem Spiel stets mit grauer Jogginghose bekleidete Keeper gab sein Teamdebüt am 25. März 1998 bei Ungarns 3:2 im Testspiel in Wien gegen Österreich und hielt dabei einen Elfmeter von Toni Polster. Dieses Kunststück gelang ihm auch am 16. August 2006 im bisher letzten Duell zwischen Österreich und Ungarn (1:2), als er einen Penalty von Sanel Kuljic entschärfte.
Sollte Kiraly seine Tormannkünste auch am 14. Juni im EM-Match in Bordeaux gegen die ÖFB-Elf beweisen dürfen, wäre dem magyarischen Rekord-Teamspieler eine weitere Bestmarke sicher - jene für den ältesten Spieler bei einer Europameisterschaft.
Von Rekorden waren Kiraly und seine Landsmänner in den vergangenen Jahrzehnten weit entfernt. Die frühere Fußball-Großmacht war lange im Niemandsland versunken, dabei hatten die Magyaren einst zu den stärksten Nationen der Welt gezählt.
1952, 1964 und 1968 holten sie Olympia-Gold und schafften es 1938 ebenso bis ins WM-Finale wie 1954. Das damalige Team rund um Ferenc Puskas wird in Ungarn noch heute als "Aranycsapat" ("Goldene Elf") verehrt und gilt als eine der stärksten Mannschaften der Geschichte, obwohl das Endspiel gegen Deutschland äußerst unglücklich verloren ging.
In diesen Zeiten war auch noch die Rivalität zu Österreich stark ausgeprägt, Duelle zwischen den beiden Nationen waren stets Garant für Massenbesuch. Damit ist es schon länger vorbei, die Häufigkeit der Testspiele gegen die Magyaren ging deutlich zurück. Dennoch hat Österreich gegen kein anderes Land auch nur annähernd so viele Länderspiele ausgetragen wie gegen Ungarn. Die Bilanz aus
österreichischer Sicht steht in 136 Partien bei 40 Siegen, 30 Remis und 66 Niederlagen. Weltweit wurde nur das Duell zwischen Argentinien und Uruguay öfter, nämlich 196-mal, bestritten.