Seit einem Monat wird die Gemeinde Ilz mit E-Mails und Briefen verzweifelter Autofahrer aus ganz Österreich bombardiert. Darin beklagen sie, Rechtsanwaltsschreiben erhalten zu haben, nachdem sie auf einem Parkplatz im oststeirischen Dorf kurz gehalten oder umgedreht hatten. Und tatsächlich: Wie berichtet forderte ein Gebrauchtwagenhändler weiterhin bis zu 400 Euro von oststeirischen Autolenkern, nachdem sie sein Grundstück in Dörfl 7 befahren hatten. Die Zahl der Anzeigen ist innerhalb der vergangenen Woche explodiert, alleine 250 liegen aktuell in der Gemeinde Ilz auf.

Agentur in London

„Sie oder ein Lenker haben auf besitzstörende Weise auf dem Grundstück meines Mandanten gewendet, weshalb Sie nun dazu verpflichtet sind, den folgenden Betrag binnen sieben Tagen zu überweisen“, eröffnet ein Anwalt eines der vorliegenden Schreiben. Es liegt der Redaktion vor.

Gemeindevorstand Michael Kriendlhofer hat indes eine Stabstelle eingerichtet, er kümmert sich um die betroffenen Autofahrer und versucht der Sache auf den Grund zu gehen. „Wo bleibt hier die Moral? Wo der Schaden für den Grundstücksbesitzer?“, fragt sich der Oststeirer und versucht Anwälte davon zu überzeugen, ihre Geldforderungen zurückzuziehen. „Aber es ist ein abgekartetes Spiel, die einen verdienen mit den anderen“, erklärt der Gemeindebedienstete.

Der besagte Platz in Dörfl hat schon vielen Autolenkern Geld gekostet
Der besagte Platz in Dörfl hat schon vielen Autolenkern Geld gekostet © Wurzinger

Auftraggeber ist anscheinend eine afghanisch-stämmige Familie (Name und Anschrift sind der Redaktion bekannt), die vor Ort mit Gebrauchtautos handelt. Diese lädt offenbar über die Internetplattform www.zupfdi.at (ihr Firmensitz ist in London) Fotos der haltenden oder umkehrenden Autos – Kunden sind ausgenommen – hoch, die diese wiederum an nationale und internationale Rechtsanwälte weitergibt, berichtet die Gemeinde. „Die Webseiten fordern regelrecht dazu auf, Besitzstörungen zu melden und versprechen Geld, das durch die Anwälte eingetrieben und in späterer Folge an den Besitzer ausbezahlt wird“, erklärt Kriendlhofer.

Das „Geschäftsmodell“ von „Zupf di“ ist bekannt: Wird ein Privatparkplatz verstellt oder eine Zufahrt blockiert, können Betroffene die Fälle bei der Firma melden. Anschließend wird von „Zupf di“ eine Besitzstörungsklage verschickt, 399 Euro verlangt. Dieser Betrag wird dann aufgeteilt – die Melder erhalten bis zu 200 Euro, der Rest geht an „Zupf di“. 

Michael Kriendlhofer ist die Stabstelle zwischen den Autolenkern und Rechtsanwälten
Michael Kriendlhofer ist die Stabstelle zwischen den Autolenkern und Rechtsanwälten © Wurzinger

Konkret handelt es sich um einen geschotterten Platz entlang der B 65 im Ortsteil Dörfl. Die ehemalige Tankstelle wird von einem Gebrauchtwagenhändler genutzt.  Zwar wurde nunmehr eine „Halte- und Parken“-Verbotstafel angebracht, dennoch wirke die Fläche einladend auf Autofahrer, schnell umkehren zu können, kritisiert die Gemeinde.

Im Recht

Die afghanische Unternehmerfamilie – sie hat den Platz vom Gleisdorfer Vermögensverwalter Fritz Sperl gepachtet – möchte auf die Frage, inwiefern ihnen ein Schaden durch die Umkehrmanöver der Autofahrer entstanden sei, keine Stellungnahme abgeben. Grund-Eigentümer Fritz Sperl sind die Hände gebunden: „Ich rate all jenen Leuten, die das Areal befahren hatten, noch bevor die Verbotstafeln angebracht wurden, in einen Rechtsstreit zu gehen“, so der Oststeirer.

Alle anderen seien selbst schuld, wenn sie die Hinweisschilder nicht gelesen haben. „Damit ist die Sache nun wirklich entschärft und klar, wer im Recht ist“, so Sperl weiter. Die Anlaufstelle der Gemeinde für betroffene Personen ist in den nächsten Wochen dennoch unter der Telefonnummer (03385) 377-310 verfügbar.