Es wäre ein wirklich großer Wurf: In einer großen Justizreform wollen ÖVP und Grüne die Spitze der Staatsanwaltschaften entpolitisieren, Kosten für eingestellte Verfahren und Freigesprochene ersetzen, Beschuldigtenrechte stärken, Vorverurteilungen einschränken und Verfahren beschleunigen. Jeder einzelne Punkt würde Österreichs Justiz voranbringen – wenn sich Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) einigen könnten.
Denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Und im großen Paket haben Zadić und Edtstadler eine Vielzahl an Einzelheiten zu besprechen: Wie soll eine unabhängige Generalstaatsanwaltschaft aussehen? Wer soll sie bestellen? Welche Höhe soll und kann ein Kostenersatz haben? Wie können Beschuldigtenrechte gestärkt werden? Sollen Verfahren feste Ablaufdaten haben? Und wo zieht man die Grenze, um Ermittlungsverfahren geheim zu halten?
Fragen, deren mögliche Antworten sich die Verhandlerinnen zurzeit vor allem medial ausrichten. Denn es hapert nicht nur an inhaltlichen Unterschieden, sondern bereits bei der Terminfindung: "Jetzt scheitert es auch daran, dass die ÖVP offensichtlich nicht bereit ist, Verhandlungstermine anzunehmen, die wir angeboten haben", sagte Justizministerin Alma Zadić am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Gespräche würden laufend stattfinden, in Kürze würde auch wieder auf höchster Ebene verhandelt, heißt es dazu aus dem Verfassungsministerium.
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Erschwert werden die Verhandlungen durch politische Befindlichkeiten: Die ÖVP will es Journalisten verbieten, aus Ermittlungsakten zu zitieren und Staatsanwaltschaften das Auswerten von Handys erschweren. Für Zadić und die Grünen sind das rote Linien. Dass die ÖVP die Beschuldigtenrechte nun "für sich entdeckt" habe, liegt für die Justizministerin auch an deren eigenen juristischen Probleme.
Am liebsten würde Zadić die türkisen Wünsche daher direkt aus den Reformverhandlungen ausschließen. Einen Gefallen, den Edtstadler dem Koalitionspartner wohl kaum machen wird. Denn in einem Ministerratsvortrag hatte sich die Regierung im März 2021 eben auf eine breite Reform geeinigt. Und während den Grünen vor allem unabhängige Staatsanwaltschaften am Herzen liegen, pocht die Volkspartei besonders auf stärkere Beschuldigtenrechte.
Der große Schlag ins Wasser?
Das Verknüpfen von nicht unbedingt zusammenhängenden Themen hat seine Vorteile: Das Strafgesetz muss nur einmal "aufgeschnürt" werden, der eine große Schlag lässt sich besser vermarkten. Doch ohne Einigung gibt es auch keine Reform. Und ohne Verhandlungstermine wohl so rasch auch keine Einigung.
Immerhin ist klar: Die große Reform bräuchte genügend Vorlaufzeit, auch aufgrund der in Teilen notwendigen Zweidrittelmehrheit. Und die nächste Nationalratswahl rückt näher. Finden Zadić und Edtstadler nicht bald zusammen, droht die Reform zu versanden. Aus dem großen Wurf würde ein Schlag ins Wasser.
Maximilian Miller