Streiks sind in Österreich selten. Dass die Arbeit in Gesundheitsbetrieben niedergelegt wird, ist noch ungewöhnlicher. Am Dienstag rief die Gewerkschaft vida aber gleich in 25 Privatspitälern zum Warnstreik auf. Neben der Arbeiterkammer unterstützte auch die Ärztekammer den dreistündigen Protest. Im Fokus stand der Zusammenhalt über die Berufsgruppen hinweg, denn: "Ein Spital kann die besten Ärzte haben, wenn es kein Essen gibt und das Gebäude nicht geputzt wird", sagte Chefverhandler Harald Steer. Er sieht "zu wenig Geld für zu viel Arbeit".
Hintergrund für den Warnstreik sind einmal mehr die Kollektivvertragsverhandlungen: Die Gewerkschaft fordert einen Abschluss deutlich über der Inflation und einen monatlichen Bruttomindestlohn von 2000 Euro für die rund 10.000 Beschäftigten. Neben dem Streik selbst sind dafür auch Aktionen vor Kliniken angekündigt. Zum Protest im Anton Proksch Institut in Wien - einer Suchtklinik - kamen auch Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl und der stellvertretende Wiener Ärztekammer-Präsident Stefan Ferenci.
Arbeitskampf um Anerkennung
Es gehe darum, gleiche Bedingungen herzustellen und den "Braindrain" in Privatkrankenanstalten zu beenden, erklärte Harald Steer, der für die Gewerkschaft vida verhandelt - und Betriebsratsvorsitzender im Anton Proksch Institut ist. Zuletzt sei das Verhandlungsklima schlechter geworden, sagt Steer: "Man kann lange reden und nichts weiterbringen". Der Warnstreik solle dazu motivieren, auf die sachliche Ebene zurückzukehren. Was die von der Arbeitgeberseite angerufene Bundeseinigungskommission dazu beitragen könnte, weiß Steer nicht: "Wir sind jederzeit verhandlungsbereit".
Arbeiterkammer-Präsidentin Anderl kündigte an, jede Aktion der Gewerkschaft zu unterstützen. Gerade im Gesundheitsbereich herrsche bereits jetzt ein Arbeitskräftemangel, Menschen würden die Pflege aufgrund der Arbeitsbedingungen verlassen, sieht Anderl auch die Politik gefordert. Arbeitgeber und Politik seien gefordert, "schleunigst Anpassungen vorzunehmen, bevor das System in sich zusammenbricht", hielt Chefverhandler Steer fest.
Der Wiener Ärztekammer-Vizepräsident Ferenci stellte den Zusammenhalt über die Berufsgrenzen hinweg in den Fokus: Die Versorgung der Patientinnen und Patienten könne nur funktionieren, "wenn Menschen, die in Gesundheitseinrichtungen arbeiten, ein anständiges und lebenswertes Gehalt haben". Dass in Privatspitälern der Kollektivvertrag unter 2000 Euro monatlich liegt, sei in Zeiten der Teuerung nicht mehr adäquat.
Streik in Graz
Ebenfalls gestreikt wurde in der Privatklinik Ragnitz in Graz. Rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der etwa 360-köpfigen Belegschaft des Privatspitals haben daran teilgenommen - darunter Mitglieder der Ärzteschaft, Pflegekräfte und Küchenpersonal. Sie legten für drei Stunden die Arbeit nieder. Kurz nach 9.30 Uhr kamen sie mit Trillerpfeifen ins Freie und skandierten "Unsere Arbeit ist mehr wert".
Horst Schachner, Vorsitzender des ÖGB Steiermark und der vida Steiermark, meinte: "Es ist beschämend. Dieses Gesundheitspersonal ist eine der wenigen Gruppen, die noch keinen Teuerungsausgleich erhalten haben." Die Betriebsräte Andreas Hohensinner (Vorsitzender der Angestellten) und Judith Paierl (Vorsitzende der Arbeiterinnen und Arbeiter) freuten sich über die vielen Teilnehmer. Sie betonten, dass die Versorgung im Krankenhaus dennoch gesichert sei: Ein OP-Team blieb beispielsweise im Dienst und die Küche hat für alle ein Lunchpaket vorbereitet, damit niemand trotz Streiks hungern muss. "Aufnahmen und Operationen wurden aber verschoben", so Hohensinner.
Verzögerungen, aber keine Zwischenfälle
Weniger Verständnis schlägt den Streikenden von ihren Arbeitgebern entgegen. Im Rahmen eines Verbesserungsversuches habe man den geforderten Mindestlohn und eine Gehaltserhöhung über der Inflation bereits angeboten, ließ Stefan Günther, Generalsekretär und KV-Verhandlungsführer des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs, am Montag wissen. Der Verband schaltete daher die im Arbeitsministerium ansässige Bundeseinigungskommission ein.
Die Sicherheit der Patientinnen und Patienten dürfte während des dreistündigen Streiks sichergestellt gewesen sein, allerdings: "Es ist beim Warnstreik zur einen oder anderen Verzögerung bei den medizinischen Leistungen gekommen, die Patientinnen und Patienten haben aber Verständnis für die Anliegen der Beschäftigten und die Gewerkschaftsforderungen gezeigt".
Maximilian Miller