Schon die Beschuldigten füllen am heutigen Dienstag die ersten zwei Reihen des Großen Schwurgerichtssaals im Wiener Landesgerichts für Strafsachen. Ihre prominenten Namen führen zu breitem öffentlichen Interesse: Der ehemalige Parteichef der österreichischen Grünen, Christoph Chorherr, muss sich am Dienstag vor Gericht verantworten. Der Ex-Politiker bekennt sich nicht schuldig, auch die anderen Beschuldigten fordern Freisprüche und kritisieren Fehler in der Arbeit der WKStA.

Neben ihm nehmen unter anderem die illustren Investoren und Immobilienentwickler René Benko, Michael Tojner, Erwin Soravia, Wilhelm Hemetsberger, Günter Kerbler Platz auf der Anklagebank. Hinter ihnen sitzen Vertreter ihrer Firmen, die ebenfalls angeklagt sind. Chorherrs früherer grüner Weggefährte Peter Pilz beobachtet das Geschehen hingegen aus den Reihen der Presse - und unterhält sich mit Journalisten. Bis zum 20. Dezember sind elf Verhandlungstage anberaumt.

Christoph Chorherr am Weg in den Gerichtssaal
Christoph Chorherr am Weg in den Gerichtssaal © APA/GEORG HOCHMUTH

WKStA fordert Verurteilung

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wirft dem ehemaligen Wiener Gemeinderat, Stadtplanungssprecher der Wiener Grünen und stellvertretenden Vorsitzenden des Gemeinderatsausschusses für Wohnen und Wohnbau wie auch den prominenten Unternehmern Amtsmissbrauch und Bestechung vor. Ausgang fanden die Ermittlungen durch Auswertungen auf Tojners Handy.

Laut dem Staatsanwalt habe man darauf beispiellose Versuche der Einflussnahme bei Amtsträgern, Politikern und Journalisten gefunden, um das Immobilienprojekt Heumarkt genehmigt zu bekommen. Doch am Ende brauche man den, der zuständig ist, erklärte der Staatsanwalt: "Man braucht den Schmid und nicht den Schmidl" - und in diesem Fall sei Chorherr derjenige, der das Sagen hatte: "Ohne Magister Chorherr kein Projekt, so einfach ist das".

Daher hätten Tojner und die anderen Beschuldigten Chorherr mit Spenden an dessen Verein S2Arch geschmiert, um ihre Immobilienprojekte zu erhalten, so der Vorwurf der WKStA. Österreich sei in Sachen Korruption nicht besser geworden, "wegen Amtsträgern wie Magister Chorherr, die sich schmieren lassen", fordert die WKStA das Gericht auf, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Chorherr und Tojner bekennen sich nicht schuldig

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. Den Anfang macht mit Richard Soyer der Verteidiger von Chorherr. Der langjährige Kommunalpolitiker und nunmehrige Bäcker bekennt sich nicht schuldig. Die Treffen mit Investoren erklärt sein Anwalt mit einem Kontakt "auf Augenhöhe" mit allen Bürgerinnen und Bürgern - also auch den wohlhabenden Investoren. Chorherr gehöre aber "zu jenen Personen, die in ihrer Amtstätigkeit das Gemeinwohl als Maxime ihres Handelns gelebt haben". Der frühere Grünen-Chef sei so korrekt, dass er nicht einmal unlautere Angebote erhalten habe, sagt sein Verteidiger: "Es wurde mit offenen Karten gespielt".

Wer arbeite, mach auch Fehler, gesteht dessen Verteidiger zu - aber diese seien in Chorherrs Fall nicht so gravierend, dass es das Strafrecht benötige. Im Falle des früheren Grünen-Chefs sei der Fehler, "der pickt", gewesen, die Obmannschaft des Vereins S2Arch nicht mit dem Einstieg der Grünen in die Wiener Stadtregierung zurückgelegt zu haben. "Schade, dass Sie in Ihrem Klub keinem Juristen begegnet sind, der Sie darauf aufmerksam gemacht hat. Schade, aber das passiert", sagt Soyer in Richtung seines Mandanten. Chorherr hatte deshalb auch eine Diversion beantragt, erhielt diese aber nicht. Sein Anwalt ist aber überzeugt, dass er nun in der Hauptverhandlung freigesprochen wird.

Michael Tojner vor Gericht
Michael Tojner vor Gericht © APA/GEORG HOCHMUTH

Diese Meinung teilt auch der Anwalt von Michael Tojner: Er erklärt das lange Flächenwidmungsverfahren für das Projekt Heumarkt neu und die Auflagen zu Tojner zu erfüllen hatte. Anders als in der Anklageschrift sei Chorherr aber gar nicht Planungsstadtrat, sondern nur "einer von 100 Gemeinderatsmitgliedern" gewesen: "Aus unserer Sicht hatte Herr Chorherr überhaupt nicht die Position, um Einfluss auf das Flächenwidmungsverfahren zu nehmen". Die 56.000 Euro Spenden an Chorherrs Verein seien rein karitativ gewesen. "Es war de facto unmöglich, das Flächenwidmungsverfahren durch Leistungen an das Schulprojekt Ithuba zu beeinflussen". Auch Tojner sei daher nicht schuldig und bitte um Freispruch, sagt sein Anwalt.

Noch weniger nachvollziehen kann die Vorwürfe Michael Rami, Verteidiger von Wilhelm Hemetsberger: Das Schulprojekt sei seit 2008 ein "Lebensprojekt" seines Mandanten gewesen, er habe daher umfassend gespendet - und zwar schon lange vor den Vorwürfen der WKStA. Auch Rami fordert einen Freispruch für seinen Mandanten. Auch Günter Kerbler bekennt sich nicht schuldig. Bei Kerblers Projekt sei es nicht einmal zu einer Umwidmung gekommen, die Ermittler hätten seinem Mandanten ein Projekt zugerechnet, das zum relevanten Zeitpunkt nicht in seinem Eigentum war.

Auch der Vertreter der SORAVIA Group zerpflückt die Anklageschrift der WKStA: Die Ermittler würden Chorherr im Ermittlungszeitraum mehrmals als Stadtrat oder Mitglied der Stadtregierung bezeichnen, obwohl dieser nur bis 1996, also weit davor, nicht-amtsführender Stadtrat der Grünen in Wien war und während der grünen Regierungsbeteiligung bloß Planungssprecher seiner Partei im Landtag und Gemeinderat. Auch sein Mandant werde sich daher als nicht schuldig bekennen, sagt der Verteidiger und fordert die Geschworenen auf, sich von den Fehlern der Ermittler selbst ein Bild zu machen.

Durch die Vielzahl an Angeklagten können noch nicht alle Verteidiger neben ihren Klienten sitzen. Die Anwälte sind dabei ähnlich prominent wie die Beschuldigten: Verfassungsrichter Michael Rami oder Richard Soyer, dessen Kanzlei auch Thomas Schmid vertritt, vertreten heute. Angaben zu Einkommen, Vermögen oder Verbindlichkeiten will außer Chorherr kaum einer der Angeklagten machen - auch wenn das bei Benko, Tojner und Co. womöglich interessanter wäre.

René Benko vor Gericht
René Benko vor Gericht © APA/GEORG HOCHMUTH

Außer Benko ist keiner der Angeklagten vorbestraft. Der Immobilientycoon wurde 2014 wegen einer "versuchten verbotenen Intervention" zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt. Benko hatte 2009 den damaligen kroatischen Premierminister kontaktieren und ihm 150.000 Euro anbieten lassen, damit dieser ein Gerichtsverfahren in Italien zu Benkos Gunsten beeinflussen sollte. Die Strafe ist mittlerweile getilgt, wäre im nunmehrigen Prozess aber zu berücksichtigen, da ihm nun Bestechung vorgeworfen wird.

Diesmal beschäftigt den Anwalt des Immobilientycoons aber eine ganz andere Frage, nämlich wie man sich von einer Anklage freibeweisen solle, "in der in Wahrheit nichts drinsteht". Sein Mandant spende für eine Vielzahl an Kinderhilfsprojekte und sei von der WKStA nicht einmal einvernommen worden, kritisiert Benkos Verteidiger, der für seinen Mandanten ebenfalls einen Freispruch fordert.

Vorteile dank Spenden

Die WKStA geht davon aus, dass sich die Investoren durch ihre Spenden Vorteile bei Widmungsverfahren erhofft haben. Chorherr soll, so die Anklagebehörde, „Projekte von Einzahlern günstig behandelt“ haben. Auch habe er über Bauprojekte im Gemeinderat mitabgestimmt – trotz offenkundiger Befangenheit. Chorherr legte nach Aufkommen der Vorwürfe 2019 seine Parteimitgliedschaft bei den Grünen zurück.

Von der Anklage sind Spenden in Höhe von insgesamt 1,6 Millionen Euro umfasst. Tojner soll im Zusammenhang mit dem ohnehin höchst umstrittenen Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt 56.000 an Chorherrs Verein gespendet haben, Benko 100.000 Euro im Kontext eines Grundstückskaufs unweit des Wiener Hauptbahnhofs, Soravia, der in Wien die spektakulären Triple Towers beim Prater sowie das Wohnturmprojekt Danube Flat an der Neuen Donau errichtet hat, 15.000 Euro, Kerbler 100.000 Euro wegen diverser Projekte in der Seestadt. Benko steht seit Tagen in Deutschland schwer unter Beschuss wegen der drohenden Insolvenz der Kaufhauskette Karstadt, in Österreich wegen der jüngsten Enthüllungen im Zusammenhang mit den Schmid-Chats.