Die Meinungsforscherin Sabine Beinschab hat in der ÖVP-Affäre Kronzeugen-Status zugestanden bekommen. Mehrere Medien – darunter "Der Standard", "Die Presse" und die Recherche-Plattform "Dossier" – berichteten am Mittwoch, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sei in Bezug auf von den ÖVP-Ermittlungen umfasste Studien und Beinschabs Geschäftsbeziehung zu Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) von der Verfolgung Beinschabs vorläufig zurückgetreten.
Die WKStA wollte diese Entscheidung auf APA-Anfrage nicht offiziell bestätigen. Mediensprecher Rene Ruprecht verwies auf die Persönlichkeitsrechte Beinschabs. Außerdem handle es sich um ein laufendes Ermittlungsverfahren, noch dazu einen Verschlussakt. Aus diesen Gründen sei keine öffentliche Stellungnahme möglich. "Die rechtlichen Vorgaben sind eindeutig", sagte Ruprecht.
Der Fakten-Komplex "Inserate" sei von der Kronzeugen-Regelung noch ausgenommen, zitierte der "Standard" aus dem Schreiben der WKStA an Beinschabs Anwältin Katrin Ehrbar-Blecha, die für die APA telefonisch nicht erreichbar war. Diesbezüglich seien noch Prüfungen im Gange. Sollten sich in diesem Verfahrensstrang keine neuen Verdachtsmomente gegen Beinschab ergeben, könnte diese auf ein Diversionsangebot hoffen.
"Reumütiges Geständnis"
Die WKStA verdächtigt Karmasin, "Urheberin und maßgebliche Ideengeberin" eines PR-Tools gewesen zu sein, von dem der damalige Außenminister und spätere Bundeskanzler Sebastian Kurz und die ÖVP mittels vom Steuerzahler finanzierten Umfragen profitiert haben sollen. Karmasin stellt das in Abrede und behauptet, sie habe "an keinem gemeinsamen 'Tatplan' mitgewirkt", sei zu keinem solchen – von wem auch immer – überredet worden und habe lediglich den Kontakt zwischen dem späteren Öbag-Chef und damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, und der Meinungsforscherin Sabine Beinschab vermittelt.
Beinschab hatte allerdings nach ihrer Festnahme Mitte Oktober 2021 ein "reumütiges Geständnis" abgelegt, wie die WKStA im Schreiben an Ehrbar festhält, und Dokumente und Unterlagen übergeben, die die Ermittler bei Hausdurchsuchungen nicht gefunden hatten. Daraus soll laut "Standard" hervorgehen, dass das Finanzministerium auch zwischen September 2018 und Dezember 2020 Studien beauftragt und bezahlt habe, die "zum Nutzen von Sebastian Kurz und der ÖVP" gewesen seien. Konkret gehe es um zehn Studien, angefangen vom Thema "Digitalsteuer" über "Bewertung des Wirtshauspakets" bis hin zu anderen Corona-Hilfspaketen.
Details offengelegt
Darüber hinaus habe Beinschab "detailliert die konkreten Abläufe sowie die Verrechnung im Zusammenhang mit den Studien" offengelegt sowie "wie und in wessen Auftrag die Studienergebnisse zur Veröffentlichung manipuliert wurden" – dabei ging es wie berichtet vorrangig um "Österreich" und andere Medien der Fellner-Gruppe, für die Beinschab tätig war. Sie behauptete auch, Karmasin habe – entgegen derer Darstellung – ihre Tätigkeit als Markt- und Meinungsforscherin bis Dezember 2021 fortgesetzt. Außerdem habe Karmasin sie zur Löschung von Daten "ermahnt" und um Hilfestellung gebeten, weil sie nicht wusste, wie man die automatische Löschung von Nachrichten beim Messenger-Dienst "Signal" aktiviert.
Für Karmasin und Beinschab gilt – ebenso wie für Kurz und die weiteren Verdächtigen in der ÖVP-Affäre, darunter mehrere langjährige Kurz-Vertraute, Schmid und die Medienmacher Helmuth und Wolfgang Fellner – die Unschuldsvermutung.
Kanzleramt liefert keine SPÖ-Beinschab-Akten
Die Volkspartei hatte sich bisher durch Beinschabs Einvernahme als Beschuldigte – in der die Meinungsforscherin nicht unter Wahrheitspflicht stand – entlastet gesehen. Gleichzeitig sah die ÖVP die SPÖ unter Druck: Beinschab hatte unter anderem ausgesagt, dass auch aus der roten Partei "sehr deutliche Wünsche" hinsichtlich Umfrageergebnisse geäußert worden seien – und dass es zwischen 2009 und 2013 Aufträge aus dem roten Kanzleramt gegeben habe.
Die türkise Fraktion will das Thema im Herbst im ÖVP-U-Ausschuss beleuchten. Dafür werden frühere rote Funktionäre geladen und entsprechende Akten angefragt. Zweiteres mit wenig Erfolg: Selbst das türkise Kanzleramt will keine Akten liefern. Die ÖVP habe nicht begründet, inwiefern etwaige Praktiken von Ex-Kanzler Werner Faymann (SPÖ) Auswirkungen auf den Untersuchungsgegenstand (etwa das Projekt Ballhausplatz, das Sebastian Kurz ins Kanzleramt hieven sollte oder das "Beinschab-Österreich-Tool") haben könnte.