Genau vor einem Jahr wurde sie im "Ibiza"-U-Ausschuss als Ministerin befragt, heute ist sie aus dem Amt ausgeschieden, soll dem ÖVP-U-Ausschuss aber trotzdem Antworten geben: Vorhalte, wonach ihr Ministerium Umfragen mit parteipolitisch motiviertem Inhalt in Auftrag gegeben habe, wies sie zurück. "Ich halte das, ehrlich gesagt, für eine Unterstellung, dass es da keinen Zusammenhang mit den Zuständigkeiten im Ressort gegeben hat", sagte sie zu einer ihr vorgehaltenen Umfrage.
Sie selbst sei auch gar nicht mit diesen Dingen befasst gewesen: "Ich habe die Umfragen persönlich nicht in Auftrag gegeben", sagte sie zu einer von SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer abgefragten Umfrage. Grundsätzlich wollten die Abgeordneten von SPÖ, Grünen, FPÖ und NEOS Auskunft zur Beauftragung von Studien, Umfragen und Inseraten sowie für Postenbesetzungen in Köstingers Amtszeit. Die Fraktionsvertreter abseits der Volkspartei vermuten, dass die ÖVP parteipolitische Fragen an vom Ministerium beauftragte Studien angehängt haben könnte.
Die Anfang Mai zurückgetretene Ministerin wies gleich zu Beginn alle Vorwürfe zurück. Zu einem von Krainer vorgelegten Mail von Köstingers ehemaligen Kabinettschef Gernot Maier, der demnach Angebote eingeholt und Fragestellungen mit dem Umfrageinstitut Demox direkt abgesprochen haben soll, sagte Köstinger, sie sehe das Dokument zum ersten Mal. Sie sei jedenfalls in die Themenausgestaltung der Umfragen nicht involviert gewesen.
Postenbesetzung bei staatlichen Bundesgärten
Die Grünen-Abgeordnete Nina Tomaselli fragte Köstinger zur Postenbesetzung der neuen Chefin der staatlichen Bundesgärten. Köstinger führte dazu aus, dass diese zuvor im Kabinett gewesen sei. Sie habe ihr zwar gesagt, dass sie sich für den Posten interessiere, so Köstinger. Sie selbst habe aber mit der Bestellung nichts zu tun gehabt. Auch zu anderen Postenbesetzungen, bei denen es laut Tomaselli keine Hearings gegeben haben soll, konnte Köstinger nichts beitragen. Sie sei in die Bestellungen nicht eingebunden gewesen. Auch zu einer von Tomaselli abgefragten Beauftragung einer PR-Firma sagte Köstinger, sie sei ins Operative nicht eingebunden gewesen.
Ihr Eingangsstatement hatte Köstinger dazu genutzt, noch einmal ihre Arbeit in der Regierung zu loben - vom Plastiksackerlverbot bis zum "Herzensprojekt", der verpflichtenden Herkunftsbezeichnung für Lebensmittel. Köstinger war bereits vor einem Jahr im Ibiza-Untersuchungsausschuss befragt worden, etwa zum "Projekt Ballhausplatz", das Sebastian Kurz den Weg zur Kanzlerschaft ebnen sollte. Der Begriff sei "medial konstruiert" meinte sie. Sonst habe sie weiter keine Wahrnehmung dazu.
Dass die Große Koalition platzte, sei auf eine gewisse Unzufriedenheit in der ÖVP zurückzuführen gewesen, erinnerte sich Köstinger, die damals Europaabgeordnete war. Die "durchaus sehr lange Koalition zwischen SPÖ und ÖVP" habe "ein gewisses Gefühl des Stillstands" ausgelöst. Als Ministerin sei sie mit Inseraten "immer sehr sparsam" umgegangen, dienten diese doch zur Information. Auch Schaltungen in der Bauernzeitung, sei diese doch "auflagenstärkstes Medium im landwirtschaftlichen Bereich".
Köstingers Befragung war durch eine lange Pause, die der Sondersitzung des Nationalrats geschuldet war, unterbrochen worden. Erst gegen 18.30 wurde der U-Ausschuss fortgesetzt. Danach soll zudem noch der ehemalige Kabinettschef und Generalsekretär im Landwirtschaftsministerium, Gernot Maier, befragt werden. Die Sitzung dürfte daher zumindest zum späten Abend andauern.
Schramböck mit positivem Corona-Test
Nachdem Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) gestern nach einem positiven Antigentest nicht vor dem U-Ausschuss aussagen konnte, sind die Abgeordneten umso glücklicher, die frühere Landwirtschaftsministerin in bester Gesundheit anzutreffen. Die Befragung wird von der Sondersitzung des Nationalrats um 12 Uhr unterbrochen werden. Als Vertrauensperson hat Köstinger auch heuer wieder ÖVP-Anwalt Werner Suppan mitgebracht - immerhin wird es weniger um ihre Person, als um Vorwürfe gegen die ÖVP gehen.
43.200 Euro "Spende" für den Bauernbundball
Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst will wissen, ob Köstinger von einer Spende ihres Ministeriums aus dem Jahr 2019 über 43.200 Euro an den steirischen Bauernbundball wusste. "Spende" sei eine Unterstellung, findet die ÖVP, deren Teilorganisation der Bauernbund ist. Sie zitiere nur den Rechnungshof, repliziert Fürst. Dieser nennt in den Presseunterlagen zum Rechenschaftsbericht der ÖVP 2019 eine "mögliche unzulässige Spende im Zusammenhang mit dem Steirischen Bauernbundball". Konkret geht es um Werbung aus Mitteln des Ministeriums.
Die Ex-Ministerin hat aber ohnehin "keine Wahrnehmung, worum es sich da gehandelt haben soll" und betont, 2019 nur bis Mai Landwirtschaftsministerin gewesen zu sein. Weitere Spenden könne sie ausschließen - "das wäre ja verboten". Wer für solche Geldflüsse zuständig sei, wisse sie nicht, denn sie könne "so, wie es hier steht, nicht nachvollziehen, worum es sich gehandelt hat" - und daher auch keine Zuständigkeit im Ministerium herstellen. Jeder Geldfluss aus dem Ministerium werde aber inhaltlich und sachlich auch überprüft.
VfGH weist ÖVP-Klage gegen Justizministerium zurück
Abseits des U-Ausschusses sorgt eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) für Aufsehen: Die ÖVP hatte beantragt, dem Verlangen nach Chats auf dem Handy von Thomas Schmid mit vor allem SPÖ-nahen Personen "unverzüglich nachzukommen" - konkret binnen zwei Wochen - und die Ergebnisse dem U-Ausschuss "vollständig vorzulegen". Dies hat der VfGH nun abgewiesen.
Da die im Konsultationsverfahren, auf das sich das Justizministerium bezog, angegebene Frist von drei Monaten aber mittlerweile verstrichen ist, sei die Justizministerin nun verpflichtet, "dem U Ausschuss gegenüber unverzüglich zu begründen, warum sie den Beweisanforderungen der U-Ausschuss-Mitglieder weiterhin nicht nachkommen kann", so der VfGH. Dabei habe sie "den U-Ausschuss über den Fortschritt der Erhebungen der Strafverfolgungsbehörden zu informieren und die Prognose des dafür erforderlichen Zeitaufwands nachvollziehbar zu begründen".
Die ÖVP ortet das als Erfolg: "Obwohl der VfGH unseren Antrag abgewiesen hat, stellt er fest, dass die Frau Bundesminister für Justiz jetzt unmittelbar verpflichtet ist, den Untersuchungsausschuss endlich umfassend über den Fortschritt der Erhebungen zu informieren und eine Prognose des erforderlichen Zeitaufwandes nachvollziehbar zu begründen", sagt der türkise Fraktionschef Andreas Hanger. Die ÖVP warte nun, wie die Ministerin "diesem klaren Auftrag" entsprechen werde, danach werde man weitere Schritte beraten.
Parteipolitische Umfragen im Fokus
Die SPÖ ortet indes ein weiteres System aus "rein parteipolitischen Umfragen" - auch aus Köstingers Ressort. "In Wahrheit ist das größer als das Beinschab-Österreich-Tool", sagt der rote Fraktionschef Kai Jan Krainer, immerhin spanne es sich über mehrere Ministerien. So habe das Landwirtschaftsministerium fragen lassen, ob Österreich noch mehr Flüchtlinge aufnehmen solle, das Wirtschaftsministerium wollte wissen, wie die Bevölkerung zu "kämpferische Parolen" am 1. Mai stehe. Man sehe, dass hier "konzentriert die ÖVP die Steuergelder mehrerer Ministerien verwendet, um Umfrageserien herzustellen und am Ende des Tages verwendet die ÖVP diese Daten".
Das Problem könne man nur lösen, "indem alle Studien öffentlich werden", findet Neos-Fraktionschefin Stephanie Krisper. Ansonsten würde nach Parteilogik bedient werden: Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) dürfe das Leitbild erstellen, das Institut Demox parteipolitische Umfragen auf Kosten des Wirtschaftsministeriums durchführen.
Parteipolitische Umfragen
Die ÖVP weist diesen Vorwurf zurück, der türkise Fraktionsführer Andreas Hanger hat heute eine dieser Umfragen aus dem Wirtschaftsministerium mitgebracht, darin sei eine "Hundertschaft von Fragen" enthalten, die sich mit Covid-Politik und dem Wirtschaftsstandort beschäftigt haben. Man könne über die eine oder andere Frage diskutieren, ob sie demoskopisch Sinn machen würde, findet Hanger. Daraus abzuleiten, dass diese Umfrage für die ÖVP in Auftrag gegeben wurde, sei aber "geradezu lächerlich", er weise das "aufs Schärfste zurück".
Technik-Panne bei erster Frage
Krainer sorgt bei seiner ersten Frage für ein Novum im U-Ausschuss und will eine Sequenz aus dem Nationalrat als Video einspielen lassen. Es gibt technische Probleme, die Sitzung steht. Nach einigen Minuten spielt die Aufzeichnung aus dem Nationalrat doch ab, im Medienraum allerdings ohne Ton.
Zum Inhalt: Köstinger hatte im März dieses Jahres noch als Ministerin auf Frage Krainers gesagt: "Ich kann absolut ausschließen, dass es Beauftragungen gegeben hat, die nicht mit dem Ressortgegenstand zu tun haben" - eben solche will die SPÖ aber nun gefunden haben. Diesen Satz will die Ex-Ministerin heute unter Wahrheitspflicht so nicht wiederholen und verweist lieber auf ihre gesamte Aussage, nämlich, dass sie selbst keine Umfragen beauftragt habe und sie davon überzeugt sei, dass die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies gut und richtig gemacht hätten.
Köstinger weiß nicht, wieso Demox beauftragt wurde
Auch wenn sie die Fragen nicht ausgewählt habe und das Dokument zum ersten Mal sehe, könne sie nach der Kompetenzerweiterung 2020 begründen, warum das Landwirtschaftsministerium fragen ließ, ob Österreich bereits genug Asylwerbende aufgenommen habe. Die Frage, wie sich die Arbeitslosenzahlen in den nächsten zwölf Monaten entwickeln würde, begründete Köstinger mit ihrer früheren Funktion als Tourismusministerin.
Und warum kurz vor der Wien-Wahl 2020 das Landwirtschaftsministerium wissen wollte, was die größten Probleme sind, denen Österreich gegenübersteht? Sie sei nicht zuständig gewesen und sehe das Dokument zum ersten Mal. "Ich halte das, ehrlich gesagt, für eine Unterstellung, dass es da keinen Zusammenhang mit den Zuständigkeiten im Ressort gegeben hat", sagte die Ministerin an einer Stelle.
Das Meinungsforschungsinstitut "Demox" kenne sie, ebenso wie dessen Geschäftsführer, der früher eine Funktion (er war Direktor) im Wiener Bauernbund hatte. "Aber in seiner Zeit als Meinungsforscher hatte ich keinen persönlichen Kontakt zu ihm". Warum das Landwirtschaftsministerium offenbar als erstes Ministerium entschied, "Demox" zu beauftragen, wisse sie nicht. Der Geschäftsführer von "Demox" kann das womöglich nächste Woche als Auskunftsperson erklären.
Falls hier das Kabinett eingebunden gewesen sei, wäre ihr Kabinettschef zuständig gewesen - der davor als Mitarbeiter in der ÖVP-Bundespartei für "Politik" zuständig war. Dazu, ob Ergebnisse an Dritte (also etwa an die türkise Partei) weitergegeben wurden, hatte die Ministerin "keine Wahrnehmung".
Projekt Ballhausplatz
Bei ihrer letzten Befragung vor einem Jahr hatte Köstinger angegeben, das "Projekt Ballhausplatz", das Kurz ins Kanzleramt heben sollte, nur aus den Medien zu kennen. Das wiederholt sie auch heute auf Fragen der Verfahrensrichterin: Der Begriff sei für sie "medial konstruiert" gewesen. Es habe ein "gutes Miteinander" mit Kurz gegeben, sagte sie zur Frage, ob sie sein Streben ins Kanzleramt wahrgenommen hatte. Der Bruch der rot-schwarzen Koalition sei ihrer Wahrnehmung nach aus einem "Stillstand" heraus entstanden.
Warum das "Familienfest" am 1. Mai 2019 mit 230.000 Euro an Steuergeld unterstützt wurde, konnte Köstinger nicht beantworten. Ebenso wenig, ob es eine Ausschreibung gegeben habe - sie war in die operative Tätigkeit nicht eingebunden, erklärte die Ministerin.
Inserate und Förderungen
Auch dass just vor der Nationalratswahl 2017 500.000 Euro an Inseraten aus dem Landwirtschaftsministerium in Zeitungen, deren Verlag dem ÖVP-Bauernbund gehört, geschaltet wurden, wird die Abgeordneten interessieren. Köstinger war damals zwar nicht Landwirtschaftsministerin, aber ÖVP-Generalsekretärin - sie könnte das demnach aus der anderen Seite beobachtet haben.
Für die FPÖ gebe es die Frage von "völlig überteuerten Testprogrammen für den Tourismus" - so habe ein Test 70 Euro gekostet, sagte FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst. Es gebe auch weitere Geldflüsse und den Verdacht einer noch vorwerfbareren Handlung - dass man sich am NPO-Fördertopf gewendet hat. Da gehe es um die Tatsache, dass die Tiroler Jungbauernschaft/Landjugend rund 850.000 Euro an Corona-Hilfen erhalten hat, von denen Parteiorganisationen ausgeschlossen gewesen wären.
Grüne und Neos orten türkisen "Selbstbedienungsladen"
Für die grüne Fraktionsführende Nina Tomaselli habe man gestern "Umfragen, mit denen man nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die eigene Partei täuschen wollte" gesehen, "heute finden wir die Postenschacher im Gang Köstinger, es ist ein sehr, sehr langer Gang." Das Landwirtschaftsministerium dürfte "ein wahrer Selbstbedienungsladen" gewesen sein, so die grüne Abgeordnete - "vielleicht kann der heutige Befragungstag das aufklären und es ist alles gar nicht so, wie es aussieht."
Letzteres bezweifelt die Neos-Abgeordnete Krisper: "Das Wirtschaftsministerium wurde jahrelang als Selbstbedienungsladen benutzt", sagt Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper - aktuelle Besetzungen etwa in der Bundeswettbewerbsbehörde würden aber anzweifeln lassen, dass die Vergangenheitsform angemessen wäre. Man habe am gestrigen Befragungstag gesehen, dass es keine Generalsekretäre brauche - schon gar nicht, wenn diese "keinen einzigen Tag Erfahrung im Ministerium gesammelt" haben.
Auch in Köstingers Landwirtschaftsministerium sei "Geld für Parteizwecke herausgeschmissen" worden, so Krisper. Ihr Verdacht ist, dass dies auch damit zu tun haben könnte, dass Köstingers Kabinettschef direkt aus der ÖVP-Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse gekommen sei. Er wird am späteren Nachmittag befragt und soll jedenfalls geladen werden - egal, wie lange die Sondersitzung oder die Befragung Köstingers dauert.