Es ist Freitagnachmittag, als ein junger Mann in schwarzer Jogginghose aus seinem Wohnhaus im zweiten Wiener Gemeindebezirk ins Freie tritt. Nachdem er sich kurz umgeblickt hat, steigt er in ein davor parkendes Auto. Wenige Sekunden später ist dieses von bewaffneten Männern in Sturmmasken umzingelt, die ihm „Polizei“ ins Gesicht schreien und ihn aus dem Auto zerren. Er hatte dem Fahrer, einem verdeckten Beamten, 30 Gramm Kokain verkauft. Das in einem Plastiksack befindliche Pulver war in eine Zigarettenschachtel gestopft.

Zugriffe wie diese sind Alltag für die Beamten der „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität“ (EGS), wie die Sondereinheit der Polizei heißt. Seit 2003 sind die Ermittler in Zivil in der Stadt unterwegs, um Drogenhändler auf frischer Tat zu stellen. 424 Personen wurden hier allein in diesem Jahr gefasst, neben Cannabis wird vor allem Heroin und Kokain sichergestellt.

"Verfügbarkeit hat sich nicht geändert"

Und daran hat sich auch in Zeiten von Corona nichts geändert, erzählt Wolfgang Preiszler, der Leiter der Einsatzgruppe. „Die Verfügbarkeit von Suchtgift hat in den letzten Monaten überhaupt nicht abgenommen, wir nehmen auch keine preislichen Veränderungen wahr.“ Die Händler hätten sich schnell an die neue Lage angepasst. „Die haben einfach mit Mundschutz verkauft.“

Doch wie kann es sein, dass der „Stoff“ nicht ausgeht, wenn die Grenzen quasi dicht sind? Preiszler hat hier zwei Theorien: „Entweder sind die Lager dermaßen gut gefüllt, dass noch immer Suchtgift vorhanden ist, oder die Drogen werden über den Warenverkehr geschmuggelt. Der ist schließlich nie zum Erliegen gekommen.“ Auf die Arbeit der Beamten hat Corona ebenfalls Auswirkungen. „Wir müssen mittels Hygienevorschriften wie Abstandhalten und Plexiglasscheiben bei der Vernehmung auch darauf achten, dass wir uns das Virus nicht ins Haus holen“, sagt Preiszler.

Innenminister Nehammer begleitete die Einheit
Innenminister Nehammer begleitete die Einheit © (c) BMI/Karl Schober (BMI/Karl Schober)

Serben beherrschen den Markt

Verändert hat sich im Laufe der Jahre auch die Szene selbst. In den 1990er-Jahren lag das Geschäft in den Händen nordafrikanischer Händler, die später von westafrikanischen unterwandert wurden. Sie lockten mit niedrigeren Preisen. In den letzten Jahren haben nun aber Dealer aus Serbien die Straßen übernommen. Revierkämpfe gibt es dabei nur selten, erzählt ein Ermittler der EGS, während er mit seinen Kollegen in legerer Freizeitkleidung am Praterstern patrouilliert. „Der Stoff der Serben hat einen deutlich höheren Reinheitsgrad. Während der beim Heroin der Westafrikaner bei höchstens fünf Prozent liegt, weist das serbische 45 bis 50 Prozent auf.“

Wenig später stellen er und seine Kollegen einen Dealer mit weißer Baseballkappe, der einem der Beamten zuvor drei kleine Plastiksäckchen mit Cannabis verkauft hat. Alles geht blitzschnell, der Händler wird abgeführt. Nur wenige Passanten bekommen das Geschehen mit. „Es ist schon eine Art Parallelwelt, in der wir uns täglich bewegen“, erklärt eine EGS-Beamtin, die an diesem Freitag ebenfalls Dienst hat. „Die Dealer lernen immer dazu – aber wir tun es auch.“ Um kleine Fische handelt es sich bei diesen Zugriffen übrigens nicht, die Dealer verkaufen laut Beamten teils 70 bis 80 Gramm pro Tag. Ein lukratives Geschäft.

Verlagerung ins Darknet

An die Hintermänner, die meist im Ausland sitzen, zu kommen, ist jedoch schwer, sagt Preiszler. Zudem verlagere sich vieles ins Internet. Im sogenannten Darknet werden Drogen bestellt und per Post geliefert. Das bestätigt auch Innenminister Karl Nehammer, der die Beamten an diesem Tag begleitet. „Während Delikte wie Einbruch und Diebstahl massiv zurückgegangen sind, zeichnet sich ein Anstieg im virtuellen Raum ab. Wir werden daher die Cyber-Kompetenzzentren im Bundeskriminalamt um weitere 60 Beamte aufstocken.“

Im zweiten Bezirk haben die Beamten der Sondereinheit inzwischen die Wohnung des Festgenommenen durchsucht. Gefunden haben sie nichts, was selten vorkommt, wie einer der Beamten erzählt. Der Dealer selbst wird mitgenommen und befragt, später wird er in U-Haft genommen. Die Arbeit der Sondereinheit ist damit aber noch nicht getan. „In allerspätestens zwei Tagen wird er durch einen neuen Dealer ersetzt.“