Vor einem Jahr hat sich die „Initiative Bessere Verwaltung“ gegründet, um eine „Selbstverblödung des Staates“ zu verhindern. Mit diesen Worten hatte damals Clemens Jabloner, langjähriger Spitzenbeamter und in der Expertenregierung Bierlein Vizekanzler, jüngere Entwicklungen vor allem in der Ministerialbürokratie beschrieben. Nach einem Jahr vermeldete die Initiative zwar erste kleine Fortschritte, sah aber weiterhin großen Handlungsbedarf.
Die umstrittenen Generalsekretäre, die als Scharnier zwischen Verwaltung und den politischen Büros der Ministerinnen und Minister installiert wurden, sind von der derzeitigen türkis-grünen Regierung zwar nicht abgeschafft, aber teilweise nicht mehr besetzt worden. Das erwähnt Jablober positiv. Die Initiative fordert aber eine generelle Streichung dieser Positionen, die zu einer noch stärkeren Engführung der Beamtenschaft geführt hätten. Stattdessen könnte die Position der Staatssekretäre um- und aufgewertet werden.
Staatssekretäre als „Aufpasser missbraucht“
Die Staatssekretäre seien oft als „Aufpasser missbraucht“ worden, sagte Jabloner. Speziell das Finanzministerium wurde meist von beiden Regierungsparteien besetzt, um die koalitionäre Balance zu wahren. Die Initiative will die Staatssekretäre wieder ihrer eigentlichen Funktion zuführen. So würde man rein politische Organe gewinnen, die aber eigene Verwaltungsbereiche führen könnten. Es wäre auch nicht teurer, wenn man gleichzeitig die Generalsekretäre abschafft, so Jabloner.
Der ehemalige Vizekanzler blickt mit einer gewissen Sorge auf die anstehende Nationalratswahl, weil sich im Vorfeld solcher Wahlen immer wieder das Personalkarussell in den Ministerien schneller zu drehen beginnt. Häufig werden Besetzungen hinausgeschoben, Sektionen und Abteilungen ohne Ausschreibung nur interimistisch besetzt, wobei die interimistische Leitung später als Erfahrungsvorteil gewertet wird. „Ich halte das für einen Missstand.“
Positiv erwähnte die Initiative das Informationsfreiheitsgesetz, das erst ab 2025 in Kraft tritt. Und man müsse abwarten, wie es gelebt wird und sich Judikatur dazu etabliert, sagte Anti-Korruptionsexperte Martin Kreutner, einer der Proponenten der Initiative. Der Einladung zu Workshops zu den insgesamt 50 Vorschlägen für eine bessere Verwaltung waren auch ein paar hochrangige Politiker von SPÖ und ÖVP gefolgt. Zumindest bei einigen wurde die Wahrnehmung der Problemlage geschärft, ergab danach das Feedback. „Es geht auch um einen Kulturwandel, und der geht nicht von heute auf morgen“, sagte der ehemalige Justizbeamte und Organisationsentwickler Wolfgang Gratz.
Strategische Untersteuerung
Wie wichtig eine gut funktionierende Verwaltung ist, erläuterte unter anderem Nikolaus Forgó, Rechtsprofessor der Uni Wien mit dem Spezialgebiet Innovation und Technologie. In den vergangenen Monaten verabschiedete die EU bedeutsame Regulierungen im Bereich der Digitalisierung, von Künstlicher Intelligenz bis zum Digital Services Act. Das habe in der österreichischen Verwaltung zu einer „strukturellen Überforderung“ geführt, sagte Forgó. Es sei so gut wie unmöglich gewesen, diesen Entwicklungen auf EU-Ebene zu folgen. Schnell musste auch entschieden werden, welche Behörde in Österreich wofür zuständig sein sollte. „Es braucht eine stärkere Priorisierung und strategische Steuerung“, so Forgó.
Dass die Republik hier Defizite aufweist, befanden jüngst auch die Experten des Bundesheeres in ihrem Risikobild 2024. Die „zögerliche, fragmentierte und nicht-institutionalisierte Strategieentwicklung Österreichs“ trägt demnach auch zu den Risiken bei. „Es fehlt an gemeinsamen Zielen, Indikatoren und an einer Evaluierungskultur“, sagt Elisabeth Dearing, ehemals Beamtin im Bundeskanzleramt und später im Rechnungshof. Etliche Themen, vom Klimawandel bis zur Digitalisierung, betreffen viele Ministerien. Eine gemeinsame Koordinierung findet nicht statt.