Das Oberlandesgericht (OLG) Graz hat die Ermittlungen gegen zwei ursprünglich aus Syrien stammende Brüder und die diesen zugeschriebenen "Liga Kultur"-Vereine in Graz und Wien beendet. Die Staatsanwaltschaft Graz hatte seit Mitte März 2020 im Zuge der Operation "Luxor" gegen die beiden ermittelt und sie verdächtigt, zwischen Oktober 2002 und November 2020 die Organisation des Österreich-Ablegers der Muslimbruderschaft sowie der terroristischen Hamas mitaufgebaut zu haben.

Das OLG gab bereits Mitte Dezember einer Beschwerde des Wiener Rechtsanwalts Andreas Schweitzer, der die beiden vertritt, wegen überlanger Ermittlungsdauer Folge. Die StPO sieht vor, dass staatsanwaltschaftliche Ermittlungen grundsätzlich drei Jahre nicht übersteigen dürfen. Bis dahin ist entweder eine Anklage einzubringen oder das Verfahren einzustellen. Insofern sind die beiden Gerichtsbeschlüsse 8 Bs 249/23p bzw. 8 Bs 250/33k, die der APA vorliegen, keine große Überraschung. Gegen die Entscheidungen gibt es keine Beschwerdemöglichkeit mehr, sie sind rechtskräftig.

"Wo nichts ist, da ist nichts. Ich hoffe, dass der Staatsanwalt das jetzt auch endlich einsieht", hielt Schweitzer dazu Donnerstagmittag fest. Im Gespräch mit der APA attestierte er dem zuständigen Staatsanwalt, "mit Verfolgungswahn" gegen seine Mandanten vorgegangen zu sein: "Das entspricht nicht der Rechtsstaatlichkeit."

Die Hintergründe

Ermittelt worden war gegen die seit vielen Jahren in Österreich aufhältigen Männer wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB), krimineller Organisation und staatsfeindlicher Verbindungen. Der eine Bruder hätte - auch im Rahmen ein Lehr- und Werbetätigkeit an der Islamischen Religionspädagogischen Akademie - die Ziele der Muslimbruderschaft und der Hamas, insbesondere die Errichtung eines islamischen Parallelstaates in Österreich, beworben, neue Mitglieder angeworben und diese ideologisch ausgebildet, vermeinte der Staatsanwalt. Den anderen Bruder verdächtigte er, zur Umsetzung der radikalislamistischen Ideologie sowie der Ziele der Muslimbruderschaft und der Hamas ein "Netzwerk aus Verbänden" aufgebaut und damit terroristische Propaganda betrieben zu haben.

Die solcherart Beschuldigten bekannten sich zwar zur allgemeinen Strömung der Muslimbruderschaft, stritten im Ermittlungsverfahren aber eine Mitgliedschaft ab und wiesen sämtliche gegen sie gerichteten Vorwürfe - vor allem was die Hamas betrifft - zurück. Sie waren im Zug der Operation "Luxor" neben etlichen weiteren Verdächtigen in den Fokus des Staatsschutzes geraten. Gegen 80 Beschuldigte und 26 Verbände wurde strafrechtlich ermittelt, 45 Bände und 2.780 Ordnungsnummern umfasste der Ermittlungsakt, sichergestelltes Datenmaterial im Umfang von 200 Terabyte musste aus dem Arabischen ins Deutsche übersetzt werden.

Die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DIP) hatte im Herbst 2021 den Brüdern und ihren "Liga Kultur"-Vereinen auf Basis öffentlich abrufbarer Social-Media-Postings sowie ihres Internet-Auftritts eine "ideologische, strukturelle und persönliche Nähe zur Muslimbruderschaft" bescheinigt.

Tatverdacht war nicht zu untermauern

Das OLG Graz stellte jedoch in den vor kurzem zugestellten Einstellungsbeschlüssen fest, der Staatsanwaltschaft sei es nach einer Ermittlungszeit von drei Jahren und acht Monaten nicht gelungen, den gegen die Brüder behaupteten Tatverdacht zu untermauern. Den vorliegenden Verfahrensergebnissen, darunter Erkenntnisse aus Telefonüberwachungen und Auswertungen der Privat- und Firmenkonten der Brüder, sei "kein Substrat" zu entnehmen, das den Verdacht tragen würde, die Brüder hätten "terroristische Vereinigungen angeführt, sich als Mitglied an kriminellen Organisationen oder auf Österreich bezogenen staatsfeindlichen Verbindungen beteiligt oder derartige Personenverbindungen sonst auf irgendeine Weise unterstützt", führt das OLG aus. Als "Hypothese ohne Beweismittelbezug" bezeichnet das OLG die Annahme der Staatsanwaltschaft, einer der Brüder habe Mitglieder für die Hamas anzuwerben versucht und Spenden für terroristische Zwecke lukrieren wollen.

Bezüglich der "Liga Kultur"-Vereine hält das OLG fest: "Es liegen auch weiterhin keine über historische Abrisse, organisatorische oder personelle Verflechtungen sowie Einschätzungen von Geheimdiensten oder Sicherheitsbehörden hinausgehenden konkreten Anhaltspunkte für die (Pauschal-)Annahme vor, dass über den Verein 'Liga Kultur' Wien oder Graz unter dem Deckmantel humanitärer Hilfe die Hamas oder sonst eine terroristische Vereinigung, kriminelle Organisation oder staatsfeindliche Verbindung finanziert worden sei oder der Verein Verfügungsgewalt über Gelder aus krimineller, insbesondere terroristischer Quelle, etwa von der Hamas, erlangt hätte." Auch könne man "kein Verdachtssubstrat in Richtung einer auch nur (irgend-)einem Strafgesetz subsumierbaren Tat eines Entscheidungsträgers oder Mitarbeiters ausmachen, von der der Verein 'Liga Kultur' Graz oder Wien profitiert hätte". Im Hinblick auf die bisherige Dauer des Ermittlungsverfahrens sei "auf Basis der dargestellten Prämissen für Verbandsverantwortlichkeit ungeachtet des Umfangs der Sachverhaltsaufklärung auch nicht ersichtlich, auf welche Weise eine solche Beweisgrundlage (noch dazu in vertretbarer Zeit) erreicht werden könnte, weswegen das Ermittlungsverfahren gemäß § 108 Abs 1 Z 2 StPO einzustellen ist".