In einem Fall wie dem gefundenen Sprengsatz Freitagabend bei den Zeugen Jehovas in Kalsdorf südlich von Graz werden bei der Polizei speziell geschulte Beamtinnen und Beamte des Entschärfungsdienstes eingesetzt. Rund 25 von ihnen sind in Österreich im Dienst. Einer von ihnen, er war auch in Kalsdorf vor Ort, gab am Sonntag im APA-Gespräch einen Einblick in seinen „exotischen Beruf“, den er persönlich für gar nicht gefährlicher als einen Streifendienst hält.
Wird in Österreich ein verdächtiges Paket oder ein herrenloser Koffer gefunden, rücken üblicherweise zuerst die sprengstoffkundigen Organe (SKO) an. Diese entscheiden vor Ort, ob sie den Entschärfungsdienst rufen oder Entwarnung geben. Im Fall in Kalsdorf wurden Freitagabend die Experten des Entschärfungsdienstes (ESD) gerufen. Die Zentrale ist in Wien, Außenstellen sind in Hall und Graz zu finden. Zeitgleich sind in Österreich immer sechs dieser Entschärfer im Dienst und sie rücken im Bedarfsfall immer zu zweit aus.
Kommen sie zu einem verdächtigen Gegenstand, können die Entschärfer die unkonventionellen Spreng- oder Brandvorrichtungen (USBV) beispielsweise mittels speziellen Röntgenräten von außen untersuchen.
Abhängig ist das wie im Fall von Freitagabend auch von der Umgebung. Der Königreichssaal der Zeugen Jehovas in Kalsdorf befindet sich mitten in einem Siedlungsgebiet. Daher sei eine Manipulation vor Ort zu gefährlich für die Umgebung gewesen.
Aus diesem Grund wurde am Freitag auch das rund vier Tonnen schwere Sprengstoffunterdrückungssystem eingesetzt, das auf einem Lkw installiert ist. In dieses wird der verdächtige Gegenstand hineingelegt, um ihn dann an einen sicheren Ort zu bringen. Der Entschärfungsdienst hat dafür ein Areal südlich von Wien. Dort wird das Paket oder der Gegenstand dann untersucht.
40-Kilogramm-Schutzanzug
In manchen Fällen kann man auch diese Detailuntersuchung aus sicherer Entfernung machen, in manchen Fällen muss aber der Entschärfer selbst Hand anlegen. Ist Letzteres nötig, zieht sich der Experte einen Bombenschutzanzug mit etwa 40 Kilogramm Gewicht über, öffnet den Gegenstand und versucht im Ernstfall eine Bombe zu entschärfen. „Ein Splitterschutz ist bei dem Anzug gegeben, aber gegen Druck und Hitze kann man schwer etwas machen“, weiß der Fachmann.
Er ist sich somit auch der Gefahr bewusst, der er sich bei solchen Einsätzen aussetzt. Er muss mit dem Risiko leben, dass auch „einmal etwas schiefgehen kann“, bestätigte er. „Ich will das aber nicht herausstreichen, weil es gibt auch genug andere gefährliche Berufe. Unser Beruf ist exotisch, aber ich war auch lang genug Polizist auf der Straße. Das ist nicht so einfach, weil ich weiß, wenn ich wo hinfahre, was mich erwartet.“ Beim Streifenpolizist könne bei vermeintlich harmlosen Einsätzen aber auch mal eine Schießerei entstehen. Er sei 40 Jahre lang Polizist und wisse, wie schnell etwas schiefgehen kann: „Da ist es egal, ob du in einem Bombenschutzanzug steckst oder einen Strafzettel schreibst.“
Die Sprengstoffexperten in Österreich werden laut dem Beamten etwa 5000 Mal zu Einsätzen gerufen – die SKO sind da eingerechnet. Der Entschärfungsdienst rückt 500 bis 600 Mal im Jahr aus. Der Entminungsdienst ist übrigens in Österreich für Kriegsrelikte zuständig und darf nicht mit dem Entschärfungsdienst verwechselt werden.