Erinnerungen an die potenziell tödlichen Sprengsätze, die letzten Sommer bei Leibnitz explodiert sind, werden wach. Denn Freitagnacht gab es erneut einen Großeinsatz bei Jehovas Zeugen in der Region. 50 Personen wurden evakuiert, nachdem ein „verdächtiges Paket“ im Eingangsbereich des Königreichsaals in Kalsdorf bei Graz entdeckt worden war. Es gab keine Verletzten, der Gegenstand wurde vom Entschärfungsdienst abtransportiert.

Funktionstüchtiger Sprengsatz

Wie die Polizei dann Samstagnachmittag bekannt gab, handelte es sich nicht um blinden Alarm. In dem Paket befand sich tatsächlich ein funktionstüchtiger Sprengsatz. „Das Paket hätte potenziell großen Schaden anrichten können“, unterstrich Polizeisprecher Markus Lamb, nachdem die Untersuchungsergebnisse der Experten vorlagen. Die Behörden haben zusätzliche Schutzmaßnahmen für sämtliche Objekte der Glaubensgemeinschaft veranlasst. Der Staatsschutz ermittelt.

Der Alarm ging am Freitag gegen 20.30 Uhr ein, Manfred Komericky, Bürgermeister von Kalsdorf und ehemaliger Cobra-Major, ist dann „natürlich hingefahren“. Seit Jahrzehnten ist die Glaubensgemeinschaft in der Marktgemeinde vertreten, der Königreichsaal in der Friedhofstraße weithin bekannt. Von der Absperrung aus sah er, wie die Menschen in Sicherheit gebracht worden sind. „Die Leute waren alle sehr gefasst“, so sein Eindruck.

Manfred Komericky, Bürgermeister von Kalsdorf
Manfred Komericky, Bürgermeister von Kalsdorf © Thomas Wieser

Entschärfungsdienst im Einsatz

Unterdessen lief der Großeinsatz auf Hochtouren: Sprengstoff-Experten der Polizei, Sprengstoff-Spürhunde und die Bereitschaftseinheit, Feuerwehr und Rotes Kreuz waren vor Ort. Weil der Sprengstoffverdacht nicht bald ausgeräumt war, rückte der Entschärfungsdienst an. „Mithilfe von Röntgengeräten und einem Roboter näherten sich die Spezialisten des Entschärfungsdienstes dem Gegenstand im Eingangsbereich“, skizziert später die Landespolizeidirektion das Vorgehen.

Das „Paket“ wurde sichergestellt und mit einem rund vier Tonnen schweren Spezialgerät mit Sprengstoff-Unterdrückungssystem abtransportiert. „Ich bin froh, dass nicht vor Ort gesprengt werden musste“, sagt der Bürgermeister. Der Königreichsaal liegt in einem Wohngebiet. „Polizei, Feuerwehr, Rotes Kreuz und Krisenintervention: Alle leisteten großartige Arbeit“, möchte Komericky nicht unerwähnt lassen. Kommandant Ewald Wolf erzählt, dass man gegen 23.30 Uhr zum Schauplatz gerufen wurde, um die Gläubigen von dort abzuholen. Im Rüsthaus konnten sich die Betroffenen etwas vom Schrecken erholen, bis sie von Angehörigen abgeholt wurden. „Die eigenen Pkw waren noch innerhalb der Sperrzone.“

Jehovas Zeugen: „Sind zutiefst beunruhigt“

„Wir sind zutiefst beunruhigt und hoffen auf rasche Aufklärung“, kommentiert der Sprecher von Jehovas Zeugen in Österreich die Ereignisse. Markus Kakavis kann sich kein Motiv für die Tat vorstellen: „Zwei unsere Gemeinden halten ihre Zusammenkünfte in dem Gebäude in Kalsdorf ab, es gibt in der Gemeinde seit Langem ein gutes Miteinander“, unterstreicht er. Seelsorger suchen aktuell das Gespräch mit beunruhigten Gemeindemitgliedern. Zusammenkünfte will man aber weiterhin wie gewohnt abhalten. „Wir haben ein Sicherheitskonzept, bei dem wir versuchen, die Balance zwischen Sicherheit und Offenheit zu finden. Bei unserem weiteren Vorgehen verlassen wir uns auf die Expertise des Staatsschutzes und der Polizei“, erklärt Kakavis.

Markus Kakavis, Jehovas Zeugen Österreich
Markus Kakavis, Jehovas Zeugen Österreich © KK

Das Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung ist neben den Kriminaltechnikern in die Ermittlungen involviert. Die Polizei bittet, verdächtige Wahrnehmungen oder Gegenstände sofort via Notruf 133 zu melden.

Zusammenhang mit Leibnitz?

Ein Zusammenhang mit den beiden Sprengsätzen bei Jehovas Zeugen in Leibnitz vom Vorjahr könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, so LPD-Sprecher Lamb. Im Fall der Leibnitzer Sprengsätze gebe es indessen keine neuen Erkenntnisse.