Die staatliche Krisenkoordination Gecko steht dem von der Regierung verfügten Ende der Corona-Quarantäne höchst skeptisch gegenüber. Dies geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten Bericht zur Sitzung vom Montag hervor. In der aktuellen Situation sei der Wegfall der Isolierung positiv Getesteter "mit einer Reihe von unkalkulierbaren Risiken verbunden". Dies könne zum Kontrollverlust über das Infektionsgeschehen bei gleichzeitig steigenden Infektionszahlen führen. Eine ähnliche Einschätzung hat auch Gecko-Mitglied und Virologe Andreas Bergthaler im Interview mit der Kleinen Zeitung – hier nachzulesen – abgegeben.

Wie sich der Verzicht auf die Quarantäne auswirkt, könne man "derzeit nicht präzise angeben". Aber angesichts der aktuellen SARS-CoV-2-Varianten (mit erhöhter Übertragbarkeit bei verminderter Pathogenität) rechnen sie mit einer "sehr labilen Ausgangssituation" für den Spätsommer bzw. Frühherbst. Vieles sei noch unklar, etwa die Eigenschaften von BA.4/5 bzw. Dauer und Effizienz des Impfschutzes dagegen.

Vergleich mit anderen Staaten "nicht sinnvoll"

Für "nicht sinnvoll" hält Gecko den Vergleich mit anderen Staaten - den Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) und auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) immer wieder zur Rechtfertigung vorgebracht haben. Es gebe aber wesentliche Unterschiede, merkte Gecko an: So seien die Durchimpfungsraten z. B. in Spanien oder Dänemark viel höher, teils andere Impfstoffe verwendet worden – und zudem habe man in anderen Ländern diesen Schritt eigentlich immer bei steil nach unten abfallender Neuinfektionskurve gesetzt.

"Das sollte man in Österreich auch berücksichtigen" und "grundsätzlich nicht dann Maßnahmen reduzieren, wenn die Kurve gerade ansteigt oder sich seitwärts auf hohem Niveau bewegt", hatten die Experten die Regierung vor ihrer Entscheidung zur Abschaffung der Quarantäne mitten in der Sommerwelle wissen lassen.

Sie unterstrichen zudem, dass beim Verzicht auf die Isolierung Corona-Infizierter "Anstrengungen in anderen Bereichen" erhöht werden müssten, vor allem um vulnerable Personen zu schützen – etwa die Anzahl der Tests in diesen Bereichen zu erhöhen.

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Gecko-Report vom 26. Juli

Nur 56 Prozent abgeschlossener Grundimmunisierungen

Die seitens der Regierungsvertreter betonte Hoffnung auf "Eigenverantwortung" teilen die Experten nicht recht: Die Lockerung von Pandemiemaßnahmen könne, wie man schon früher gesehen habe, als Signal einer geringen Gefahr interpretiert werden. "Zu erwarten ist daher, dass bei einer sinkenden Gefahrenwahrnehmung die Maßnahmencompliance sowie das eigenverantwortliche Präventionsverhalten abnimmt."

Dringend geboten sind aus Sicht der Gecko-Experten Anstrengungen für einen besseren Impfschutz. Österreich weise mit nur 56 Prozent einen sehr niedrigen Anteil abgeschlossener Grundimmunisierung (also drei Stiche) auf - und bei vielen liege der zweite Stich so weit zurück, dass sie keinen relevanten Schutz mehr haben. Angesichts der noch stärker ausgeprägten Immunflucht der neuen Varianten BA.4/5 müsse "unmittelbar und mit Nachdruck" die vierte Impfung für die ältere Bevölkerung empfohlen werden. Wobei Daten aus den USA zeigen würden, dass das Alterslimit von 65+ zu hoch angesetzt sei. Österreich sollte den vierten Stich schon bei etwas jüngeren Personen (etwa 60) forcieren. "Vermutlich" wird auch, so Gecko, eine fünfte Impfung im Winter nötig werden.

Virologin van Laer gegen Einsatz Infizierter in Krankenpflege

Die Virologin Dorothea van Laer hält den - mit dem Quarantäne-Ende möglichen - Einsatz Corona-infizierter Krankenschwestern in der Pflege vulnerabler Menschen "aus medizinischer Sicht nicht für verantwortbar". Die für positiv Getestete im Umgang mit anderen vorgeschriebenen FFP2-Masken würden nur einen "gewissen Schutz" bieten, betonte sie Mittwoch in der "ZiB2". Und hob hervor, dass Corona-Inifzierte zwei bis drei Tage bevor Symptome ausbrechen besonders ansteckend sind.

"Medizinisch nicht viel Sinn" macht aus Van Laers Sicht, dass infizierte Pädagogen und Pädagoginnen in Kindergärten (mit Maske) arbeiten dürfen, für positiv getestete Kinder aber ein Betretungsverbot besteht. Aber in die Gesetzgebung würden halt auch "andere Überlegungen einfließen", merkte sie an. Recht guten Schutz biete etwa im Kassenbereich des Handels die Kombination von FFP2-Maske und Plexiglaswänden - wenn die Kunden diszipliniert hinter den Wänden bleiben.