Richtig, aber nur zum Teil: Wer La Strada als Grazer Straßentheaterfestival bezeichnet, der übersieht, wozu dieser treue, farbenfrohe Sommergast herangewachsen ist: Ein Multispartenfestival, das sich mit jedem Jahr ein wenig mehr gegen seine Schubladisierung windet. Das zu Ende gehende Signal am Dachstein-Projekt, das drei Jahre lang Wissenschaft, Kunst und regionale Institutionen zusammenbrachte, ließ La Strada ebenso reifen wie die enge Zusammenarbeit im europäischen In Situ-Netzwerk.

Vor dem Auftakt am 26. Juli wird das Festival-Team womöglich zum Daumendrücken degradiert. Schlechtes Wetter käme nämlich höchst ungelegen, wenn das französische Collectif Sous Le Manteau im Landhaushof ihr poetisches „Mikado“-Spiel ausrollt. In den vergangenen Jahren ging La Strada auf Nummer sicher und feierte seine Eröffnung in der Grazer Oper. Warum es heuer anders kam? Der Grund ist französisch-katalanisch und schwer gefragt: Das Kollektiv Baro d‘evel findet auf seine titelgebende Identitätsfrage „Qui som?“ Antworten – allerdings erst ab 2. August (Grazer Oper): Die Produktion, mit einer „Choreografie, die der Schwerkraft trotzt“, wie es Organisatorin Diana Brus bei der Programmpräsentation ankündigte, stand für den Eröffnungstermin nicht zur Verfügung. Aktuell feiert sie in Avignon Uraufführung und gelangt danach via Lyon und Barcelona in die Steiermark.

Ein wenig verrückt zu sein, das gehört zur DNA von La Strada: Da baut der Cirque Aïtal im Augarten nicht bloß ein Zelt, sondern gleich eine ganze Zeltstadt, ein Nomadenlager, einen Bauernhof auf, „wo man nachhause kommen kann“, erklärt Brus. Am Karmeliterplatz erinnert ein Unterfangen an die mythologische Penelope: Wie sie – wartend auf ihren Odysseus – nachts auftrennte, was sie am Tag webte, macht es die Formation Galmae in „C‘est pas là, c‘est par là“: Am Tag werden sechs Kilometer Schnur aufgespannt, die eigentliche Performance ist jedoch die Dekonstruktion des Netzes nach Sonnenuntergang. Ein Unterfangen, das verbinden soll, und unbedingt die tatkräftige Mitarbeit der Besucher braucht.

Neu im Programm ist der Circ Rodini, der sich tanzend und turnend, jonglierend und rotierend speziell das Famiilien und junges Publikum wendet. Die Belgier haben gleich zwei Programme im Gepäck („Improbabile“ und „The Amazing Katlee“), zu erleben in Graz, Leibnitz, Gratkorn, Stainz und St. Stefan ob Stainz.

Ein Fest in allen Facetten

Nicht fehlen darf das Gegenteil des Straßenfegers, die Straßenkunst, die erheblichen Anteil daran hat, dass La Strada im Vorjahr 100.000 Besucher hatte. Ähnlich viele werden es heuer sein – vorausgesetzt das Wetter spielt mit. Es soll ein Fest werden, weil gefeiert wird trotzdem: Die Kompagnie Dyptik lädt das Publikum zu einer Party („Mirage“), Cheptel Aleïkoum verknüpft Musik mit Akrobatik zum mitreißenden Erlebnis, Weltklasse-Clown Fraser Hooper gibt sein La Strada-Debüt und Adrian Schvarzstein stellt kurzerhand seinen Wohnwagen mitten auf zentrale Plätze in Graz und Stainz – und feiert die Irritationen; genau so, wie La Strada seit 1998.