Antiforme Faszination

Wien ist großartig, klar! Doch wer Wien kennt, kennt auch das trübe Grau, das sich an nicht wenigen Wintertagen über die Stadt zu legen pflegt. 1a korrespondiert dann die Wolkensuppe mit ähnlich gestimmten Häuser- und Straßenfluchten, und ihre Betrachter scheinen zu kaum mehr als müden Augenaufschlägen imstande. Okay, stopp! Eine überraschend andere Hausnummer gibt es dann doch! 18. Gemeindebezirk. Ruhige Hoflage. Moderner Flachbau mit Spitzdach – Studio Comploj!

Anders ist dieser Ort wegen seiner Glasobjekte, die hier entstehen. Und wegen des Studio-Gründers Robert Comploj. Als gebürtiger Tiroler scheint er schon von Natur aus angenehm entspannt zu sein, eher Buddy in Casual als Glasmacher im Arbeitsparker. Passt gut! Denn erstens ist Glasbläserei alles andere als eine gestresste Abfolge von Arbeitsschritten. Und zweitens interpretieren Robert und sein Team dieses jahrhundertealte Handwerk neu, modern und kunstvoll raffiniert. Eine der faszinierendsten Objektreihen nennt sich Collapse. In ihren deformierten Zuständen erinnern diese Glasskulpturen an übergroße Christbaumkugeln, die die Winterkälte nicht vertragen. Und in gewisser Weise stimmt das sogar. Die Hochglanzanomalien führt Robert bewusst herbei, indem er formgeblasenes Glas zunächst überhitzt. Es will sich in seine ursprüngliche Form zurückentwickeln, zieht sich zusammen – wird dann jedoch schnell abgekühlt und erstarrt. Collapse ist für Robert eine Art künstlerischer Screenshot. Etwa von unserer modernen Welt an den Kipppunkten unserer Zeit? Ein zeitgenössischer Blick durch Glas? Frei interpretierbar ist er in jedem Fall, stets von innen mit Bauernsilber verspiegelt – einer Mischung aus Silbernitrat, Ammoniak und Traubenzucker.

© Studio Comploj

Die Architektur der Natur

Fragt man Robert nach dem, was ihn inspiriert, entgegnet er mit dem Overload an Information, Kommunikation und Interaktion vor allem durch digitale Medien. Hier noch echte Inspiration finden? Ablenkung trifft es eher. Und zwar zu viel davon. Es ist der Prozess des Glasblasens selbst, der ihn inspiriert. Es hat schon etwas Meditatives, sich auf den Moment zu konzentrieren, auf die verschiedenen Zustände des Glases, auf neue Formen, Glas zu blasen und damit klassische Traditionen zu brechen. Ein weiteres Ergebnis dessen ist Foam – „Schaum“. Damit verdeutlicht Robert seine Faszination für natürliche Strukturen, für das Aufspüren von und das Experimentieren mit der Architektur der Natur. Auch diese Skulpturen sind allesamt Unikate. Und ihre luftig-abstrakte Typografie macht neugierig, woher Roberts Gespür und handwerkliches Können kommen.

Facettenreiche Schmuckstücke

Eigentlich zum Tischler ausgebildet, besuchte er 2003 einen Glasmacherkurs. Seitdem ist er voll auf Glas als amorphen Feststoff fixiert. Zehn Jahre lang war Robert unterwegs – USA, England, Dänemark. Neben anderen Lehrmeistern brachte ihm Eric Meek vom angesehenen Corning Museum of Glass im US-Bundesstaat New York das Handwerk des Glasblasens bei. Und es war unter anderem das Saeby Glashuset an der dänischen Küste, bei dem er sein Können perfektionierte. Heute kreiert Robert seine Glaskunst also in Wien. Gebrauchsglas gehört ebenfalls zu seinem Repertoire. Von filigran bis stilvoll-robust sind auch diese Objekte jede Aufmerksamkeit wert.

Roxy etwa ist eine mund- und formgeblasene Vase in farbigem, geschliffenem Glasdesign, das von antiken Optiken inspiriert ist – diese werden von den Glasbläsern der venezianischen Insel Murano traditionell noch heute verwendet.

© Studio Comploj

Creatives love

Bei aller Leidenschaft, auch mit diesen Glaswaren viele Locations prägnant wie zurückhaltend zu bespielen: Es sind vor allem die außergewöhnlichen Glasskulpturen, die Studio Comploj zu einem jungen Hotspot der Designszene machen. Internationale Künstler, Galerien, Hotels und Corporates, sogar Sterneköche wie Juan Amador, der auf heißem Comploj-Glas exklusiv aufkochte, zählen zu Roberts Auftragskunden. Dabei ist all das nicht nur Ausdruck seiner kreativen Neuinterpretationen. Glasbläserei bleibt ein hochanspruchsvolles Handwerk, das viel Geschick, Wissen und Erfahrung voraussetzt, um zu verstehen, dass mit dem Material gearbeitet werden muss – nicht dagegen.

Wer in unserer durchdigitalisierten Welt weiß, was Kuglerwerkzeuge und Hefteisen sind? Wofür Zangen und Holzschaufeln genutzt werden? Wie heiß flüssiges Glas sein muss, um es mit der Pfeife dem Glasofen entnehmen zu können? Oder warum mit synthetischen Diamanten geschliffen wird?

Robert grantelt. So gut wie nichts mehr wird hierzulande für die uralte Glasbläsertradition getan. Gerade deshalb wird er auch künftig austesten, wie weit man mit Glas gehen kann. Sehr, sehr weit, hoffen wir! Glas vergeht nicht. Erst recht nicht so außergewöhnlich geblasenes. In einem Studio, das zugleich Werkstatt, Atelier und Shop ist, kann das jederzeit bestaunt werden. Augen auf – hallo wach!

© Studio Comploj

studiocomploj.com