Nach Enthüllungen über einen mutmaßlich gigantischen Datenmissbrauch bei Facebook hat die britische Firma Cambridge Analytica ihren Chef suspendiert. Geschäftsführer Alexander Nix werde mit sofortiger Wirkung während einer "vollumfänglichen, unabhängigen Ermittlung" von seinen Aufgaben entbunden, teilte das Unternehmen am Dienstagabend mit.

Die britische Firma soll die Daten ohne Wissen der Facebook-Nutzer für den Wahlkampf des heutigen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzt haben.

Doch auch Facebook selbst gerät im Zuge des jüngsten Datenskandals immer stärker unter Druck. Im Mittelpunkt der Affäre steht der möglicherweise illegale Zugriff auf Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern durch die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica, die den Wahlkampf von US-Präsident Donald Trump vor zwei Jahren unterstützt hat. Sollte sich der Vorwurf erhärten, dürfte das Forderungen nach einer stärkeren Regulierung von Internetkonzernen wie Facebook noch einmal befeuern: Das weltgrößte Soziale Netzwerk sieht sich schon länger Kritik ausgesetzt, den Datenschutz zu lax zu betreiben.

Parlamentarier in den USA wie auch Großbritannien wollen Konzernchef Mark Zuckerberg zu Anhörungen vorladen. Auch die EU kündigte Untersuchungen an. Die US-Verbraucherschutzbehörde FTC wurde einem Agenturbericht zufolge genau wie die irische Datenschutzagentur auf den Plan gerufen. Die deutschlandweit für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbehörde kündigte an: "Ja, wir werden uns in dieser Frage an Facebook wenden." Von den rund 30 Millionen Facebook-Nutzern in Deutschland könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit etliche betroffen sein.

Facebook-Boss soll aussagen

Bei den FTC-Ermittlungen gehe es im Kern darum, ob das weltgrößte Internetnetzwerk der Firma Cambridge Analytica erlaubt habe, an einige Nutzerinformationen zu gelangen, obwohl dies gegen die Richtlinien verstoße, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Agentur Bloomberg. Cambridge Analytica weist die Vorwürfe zurück.

Der republikanische US-Senator John Kennedy und seine Kollegin Amy Klobuchar von den oppositionellen Demokraten verlangten am Montag, dass Zuckerberg ebenso wie die Chefs von Google und Twitter in der Kongresskammer aussagen solle. Die Internetriesen verfügten über "beispiellose Mengen an persönlichen Daten", zugleich gebe es einen Mangel an Aufsicht über ihren Umgang damit, erklärten sie. Dies wecke Besorgnisse hinsichtlich eines ungestörten Ablaufs von Wahlen und des Datenschutzes.

"Katastrophaler Vorgang des Versagens"

Der Vorsitzende des britischen Unterhausausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, teilte seinerseits mit, dass er Zuckerberg in einem Schreiben aufgefordert habe, vor dem Gremium zu erscheinen. Er solle dort Stellung zu dem "katastrophalen Vorgang des Versagens" seiner Firma beziehen. Die britische Datenschutzbehörde (ICO) will prüfen, ob Facebook nach dem Verlust der Daten entschlossen genug gehandelt und rechtzeitig informiert hat. Zugleich will sie einen Durchsuchungsbefehl gegen Cambridge Analytica erwirken.

In Irland kündigte die zuständige Datenschutzbehörde an, bei Facebook nachzufassen, ob der Konzern die Nutzung von Daten durch App-Entwickler hinreichend kontrolliert. Wie viele andere US-Großkonzerne hat Facebook seinen europäischen Hauptsitz in Irland. Europäische wie auch US-amerikanische Abgeordnete verlangten eine umgehende Erklärung, wie Cambridge Analytica an die Daten gelangt ist und warum Facebook es versäumte, seine Nutzer darüber in Kenntnis zu setzen. In den USA forderte unter anderem Senator John Kennedy Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf, dem Kongress zu den Aktivitäten seines Konzerns Frage und Antwort zu stehen. Er hat sich bisher selbst nicht zu dem Skandal geäußert.

Auch EU-Parlament fordert von Zuckerberg Aufklärung

Auch das EU-Parlament will vom Facebook-Chef persönlich Aufklärung. Parlamentspräsident Antonio Tajani schrieb am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter, das Parlament habe Zuckerberg "eingeladen". Facebook müsse "vor den Vertretern von 500 Millionen Europäern klarstellen, dass persönliche Daten nicht dazu benutzt werden, um Demokratie zu manipulieren". Die EU-Kommission hat Facebook, das schon seit dem Wochenende unter Beschuss steht, wegen der Affäre bereits am Montag verurteilt. Aus europäischer Perspektive sei der Missbrauch persönlicher Daten für politische Zwecke "nicht akzeptabel", erklärte ein EU-Kommissionssprecher. Die EU-Kommission steht demnach bereits in Kontakt mit Facebook, und EU-Justizkommissarin Vera Jourova will die Affäre bei ihrem Besuch in den USA in dieser Woche ansprechen.

Der EU-Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli mahnte grenzübergreifende Lösungen im Umgang mit Internet-Giganten ein. "Gesetze sind national, Daten sind es nicht", sagte Buttarelli am Dienstag in Brüssel. Deshalb müssten auch internationale Lösungen gefunden werden. Der Fall Cambridge Analytica sei nur die Spitze des Eisbergs, sagte Buttarelli. Er zeige, wie Daten zur Manipulation genutzt werden könnten. "Das Problem ist real und riesig."

Facebook hat nach eigenen Angaben Prüfer der Firma Stroz Friedberg engagiert. Diese sollen untersuchen, ob Cambridge Analytica weiterhin im Besitz der Daten ist. Am Montag seien die Prüfer in deren Londoner Büro gewesen. Konzernintern gibt es ebenfalls Bewegung: Insidern zufolge muss sich Facebook einen neuen Sicherheitschef suchen. Alex Stamos will das Unternehmen wegen Unstimmigkeiten im Umgang mit der mutmaßlichen russischen Desinformationskampagne verlassen, sagte eine mit der Angelegenheit vertraute Person Reuters. Die "New York Times" hatte zuerst darüber berichtet. Facebook wollte sich dazu nicht äußern.

Nervosität an der Börse

Anleger zeigten sich verunsichert. Sie befürchten schärfere Auflagen für Facebook, die es dem Konzern erschweren könnten, seine Werbemaschinerie am Laufen zu halten. Die Facebook-Aktie setzte am Dienstag ihre Talfahrt fort und büßte an der Wall Street mehr als sechs Prozent ein, nachdem sie zu Wochenbeginn bereits fast sieben Prozent verloren hatte. Mit zuletzt 162,16 Dollar markierten die Papiere den niedrigsten Stand seit September vorigen Jahres.

Cambridge Analytica unterstützte Trump im Präsidentschaftswahlkampf 2016 und soll mit Hilfe von personalisierter Facebook-Werbung Wahlentscheidungen beeinflusst haben. Die Firma soll entscheidend dabei geholfen haben, mit als Werbung geschalteten, gezielten Botschaften bei Facebook Anhänger Trumps zu mobilisieren und zugleich potenzielle Wähler der Gegenkandidatin Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen. Nach Informationen des britischen Fernsehsenders Channel 4 sollen sich Manager von Cambridge Analytica damit gebrüstet haben, weltweit Wahlen mit Hilfe von digitaler Manipulation und politischen Täuschungen beeinflussen zu können. Facebook steht bereits im Visier von Behörden wegen russischer Einmischung in den Präsidentschaftswahlkampf über das Internet.