Herr Wolf, was ist los in der Ukraine, dass Sie Ihr Investment bei der Charkiwer Traktorenfabrik platzen lassen?
SIEGFRIED WOLF: Es ist kein Ende abzusehen und ich kann auch keinen Willen erkennen, dass es hier zu einer fairen oder richtigen Lösung für die Arbeiter, für den Betrieb kommt. Die Behörden haben den Betrieb jetzt seit März gesperrt – unter allen Vorwänden und Vorhaltungen. Jedes Mal, wenn man etwas entkräftet, kommt ein neuer Weg und ich kann einfach keine zielführende Richtung erkennen.
Sie werfen ukrainischen Behörden und dem Geheimdienst SBU eine massive Kampagne gegen das Werk vor, schreiben, dass diese Beweise für Außenhandelverstöße schuldig blieben. Fürchtet man einen russischen Einfluss, weil Sie Chef von Russian Machines sind?
WOLF: Das mag sein, aber ich bin Investor in Russland und ich bin Investor in der Ukraine. Ich habe weder eine politische Situation hervorgerufen, noch bin ich politisch, noch äußere ich mich zu politischen Themen und daher kann ich es nicht verstehen.
Ihr Draht zu Russlands Präsident Wladimir Putin lässt Sie in der Ukraine auf Mauern stoßen?
WOLF: Ich kann es nicht sagen. Es fehlt mir jede Logik!
Die Vorwürfe des ukrainischen Geheimdienstes, Maschinen hätten nach Russland abtransportiert werden sollen, sind stichhaltig?
WOLF: Absolut aus der Luft gegriffen! Es geht um Zulieferungen im Komponentenbereich und jeder Hersteller muss für wettbewerbsfähige Preise und Qualität international suchen. Da können unsere Leute auch in Russland angefragt haben. Wie es ein internationaler Einkauf eben macht.
Wie viel haben Sie und wollten Sie in Charkiw investieren?
WOLF: Ich stieg vor fünf Jahren ein. Es war eine Ruine, die erst in Schwung gebracht werden musste. Wir haben Produktionstechniken eingeführt, Fertigungskonzepte, Qualitätssysteme. Als ich es vor vier Jahren auch operativ übernahm, brauchte ich fast drei Jahre, um den Betrieb auf Gewinn zu trimmen. Das ist uns gelungen. Wir haben die letzten zwei Jahre Steuern bezahlt. Steuern bezahlt man ja bekanntlich von Gewinnen, und daher ist es umso unverständlicher, dass plötzlich dreitausend Leute auf die Straße gesetzt werden und den Betrieb nicht mehr betreten dürfen.
Das Werk steht jetzt still und was passierte mit den Leuten? Die haben Sie gekündigt?
WOLF: Es trifft natürlich wie immer die Ärmsten, nämlich den Arbeiter, der keine Chance hat in der Region. Wir haben ihnen und Tausenden Zulieferern noch einmal fürs Zuhausebleiben einen Anteil bezahlt, weil sie ja von irgendetwas leben müssen, aber jetzt wird alles weiter blockiert. Wir waren eines der größten Unternehmen, mit anspruchsvollen Arbeitsplätzen. Es hat auch nichts genützt, wie die Mitarbeiter demonstrierten. Die Kriegswirren haben hier das Volk so entzweit, dass es scheinbar nur mehr Anfeindungen gibt.
Sie und den Oligarchen Oleksandr Jaroslawskyi, der mit einsteigen wollte, wies das Antimonopol-Komitee dreimal ab. Warum?
WOLF: Ich weiß nicht, was hier vorgeht, ich weiß auch nicht, welche Motivation es geben kann, 3000 Arbeiter plus unsere gesamte Zulieferindustrie hier dermaßen im Regen stehen zu lassen. Wir haben auch mit dem Vize-Premierminister kooperiert.
Ihre Beteiligung hatten Sie aber über Off-Shore-Firmen gehalten.
WOLF: Die Anteile wurden, wie bei fast 100 Prozent aller Firmen, off-shore gehalten. Ich habe diese Anteile in der Ukraine legalisieren wollen und offengelegt. Ich war außergrundbücherlicher Eigentümer und wollte die Anteile auf gut Deutsch eintragen lassen. Das ist zum Anlass genommen worden, um Spielchen zu spielen.
Sie ziehen sich ganz aus der Ukraine zurück?
WOLF: Ich will damit nichts mehr zu tun haben. Es bedrückt mich, dass man keinen Weg zwischen Schwesternländern sieht. Die Gräben werden immer tiefer.
Hat sich Russian Machines, das mit den Sanktionen enorm unter Druck geraten war, erholt?
WOLF: Absolut. Wir sind das modernste und ergebnisbeste Unternehmen im Maschinenbau. Wir haben erstmals auf der IAA unsere Produkte ausgestellt. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, sind zweistellig im Ergebnisbereich und wachsen gegen den Trend.
Adolf Winkler