Die derzeit diskutierte Verschärfung der EU-Entsenderichtlinie könnte frühestens im Sommer 2021 in Kraft treten, sagt die zuständige EU-Parlamentsberichterstatterin, Agnes Jongerius. Im günstigsten Fall werde es noch heuer bis Juni unter bulgarischer EU-Ratspräsidentschaft zu einer Einigung kommen - "andernfalls landet das Thema auf dem Teller der österreichischen Regierung".
Wann die neuen Regeln in Kraft treten sollen, sei derzeit Teil der Debatte, sagte die niederländische Sozialdemokratin, die derzeit in Wien Gespräche mit Gewerkschaftern und Wirtschaftsvertretern führt und morgen, Freitag, Parlamentarier über den aktuellen Stand bei der Richtlinie informieren wird.
Im günstigsten Fall könnten sich die EU-Sozialminister bei ihrem Treffen am 15. März einigen und das EU-Parlament könnte in der ersten Aprilwoche darüber abstimmen. "Im Normalfall würde es dann zwei Jahre dauern, bis die Mitgliedstaaten die neuen Regeln in nationales Recht übertragen", sagte Jongerius. "Wir sprechen also vom Sommer 2021." Allerdings handle es sich nach Ansicht des EU-Rates um eine derart komplexe Rechtsmaterie, dass die Umsetzung in nationales Recht mindestens drei Jahre dauern werde und dann noch ein Jahr bis zum Inkrafttreten. "Dann sprechen wir über 2022."
Streitpunkt zwischen Ost und West
Eine Verschärfung der EU-Entsenderichtlinie ist zwischen den west- und den mittel-osteuropäischen EU-Mitgliedsländern umstritten. Während Länder wie Deutschland, Frankreich oder Österreich damit "Lohn- und Sozialdumping" bekämpfen wollen, "sind die üblichen Verdächtigen Polen und Ungarn dagegen", sagte Jongerius. Auch im EU-Parlament hätten Vertreter aus Osteuropa argumentiert, dass diese Länder durch eine Verschärfung der Regeln einen Wettbewerbsvorteil verlieren würden, nämlich ihre geringeren Arbeitskosten. Dennoch gebe es sowohl im EU-Rat als auch im Parlament eine klare Mehrheit für die Anpassung.
Derzeit sei es so, dass ins Ausland entsendete Arbeitnehmer Anspruch auf den Mindestlohn im Zielland haben. Allerdings würden ihnen die Arbeitgeber oft die Kosten für Reise-, Unterkunft und Verpflegung abziehen, was dazu führe, dass manche Arbeitnehmer nur ein bis zwei Euro pro Stunde verdienen würden. Nach den neuen Regeln wäre nicht der Mindestlohn der Anknüpfungspunkt, sondern der Kollektivvertrag im Zielland. Abzüge für Reise, Unterbringung und Verpflegung wären nicht mehr erlaubt. Darüber seien sich nicht nur die EU-Kommission und das EU-Parlament, sondern auch der EU-Rat einig.
"Das wäre ein großer Schritt nach vorne und ich bin recht zuversichtlich, dass es zu diesen Änderungen kommen wird", sagte Jongerius. Eine Ausnahme werde es nur für den Verkehrssektor geben, hier sei eine Sonderregelung geplant. Diese schwierige Materie werde die österreichische Ratspräsidentschaft auf dem Verhandlungstisch haben.