"Die Kommission gelangte bei ihrer Prüfung zu dem Schluss, dass Irland Apple unzulässige Steuervergünstigungen gewährt hat, aufgrund derer Apple über viele Jahre erheblich weniger Steuern zahlen musste als andere Unternehmen", sagte Vestager nun.
Nach den EU-Beihilfevorschriften sind gezielte Steuervorteile für einzelne Unternehmen unzulässig. Die Brüsseler Behörde hatte seit 2014 die Steuervereinbarungen Irlands mit dem US-Unternehmen genau unter die Lupe genommen.
Apple will sich gegen die drohende Steuernachzahlung von möglicherweise mehr als 13 Milliarden Euro in Europa wehren. "Wir werden in Berufung gehen und sind zuversichtlich, dass die Entscheidung gekippt wird", teilte der iPhone-Konzern in einer ersten Reaktion am Dienstag mit. "Apple befolgt das Gesetz und zahlt alle fälligen Steuern, wo auch immer wir aktiv sind."
Die EU-Kommission hatte die unzulässigen Steuervergünstigungen für Apple in Irland auf bis zu 13 Milliarden Euro beziffert. Irland müsse die illegalen Beihilfen nun von Apple zusammen mit Zinsen einfordern.
Die EU-Kommission setze sich über Irlands Steuergesetze und das internationale Steuersystem hinweg, kritisierte Apple. Es gehe "nicht darum, wie viel Steuern Apple zahlt, sondern welche Regierung das Geld einsammelt." Das Brüsseler Vorgehen werde Investments und der Schaffung von Jobs in Europa tiefgreifend schaden.
EU-Abgeordnete begrüßen Nachforderung
Europaabgeordnete haben die Steuernachforderung der EU-Kommission von 13 Mrd. Euro an Apple begrüßt. "Das Problem ist nicht so sehr Apple, sondern Irland", sagte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. "Kein Pardon für Steuersünder", forderte SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner.
Das Problem seien EU-Staaten, die einzelnen Firmen unfaire Steuerdeals auf Kosten anderer Länder anbieten. "Das ist gegen den Binnenmarkt und gegen den Geist der EU", betonte Karas. Er kritisierte, dass die Steuernachforderung ins irische Budget fließen soll.
"Wir sehen diesem Schauspiel von einzelnen Staaten und Konzernen nicht mehr länger zu. Endlich hat die Kommission eine historische Entscheidung für die effektive Bekämpfung von Steuersündern getroffen und damit einen bedeutenden Schritt für Steuergerechtigkeit in Europa gesetzt", sagte Regner. "Die offizielle Körperschaftssteuer ist mit 12,5 Prozent in Irland ohnehin schon auf unterstem Niveau - in den USA müsste Apple 35 Prozent Steuern zahlen."
Der grüne Europaabgeordnete Michel Reimon sagte, der EU-Kommission sei ein Coup im Kampf gegen den ruinösen europäischen Steuerwettbewerb gelungen. "Apple hat 25 Jahre lang Steuerprivilegien genossen und die irische Regierung hat damit den Wettbewerb unfair verzerrt. Es gibt endlich ausreichend politischen Druck, um den europäischen Steuerdumping-Sumpf trocken zu legen. Die Initiative der Kommission zeigt: Die Zeit, in der bei Steuerdeals alles geht, ist vorbei. EU-Kommissarin Vestager hat gute Arbeit geleistet."
Apples Reserven zu 90 Prozent im Ausland
Apple betonte auch zuvor stets, man halte sich an alle gesetzlichen Regelungen und wende keine Steuertricks an. Zugleich bringt der iPhone-Konzern - wie auch viele andere amerikanische Unternehmen - seine Auslandsgewinne nicht in die USA, weil bei ihnen ein hoher Steuersatz von rund 40 Prozent drohe. Ein großer Teil davon fließt über Irland.
Über 90 Prozent der Apple-Geldreserven von zuletzt gut 230 Milliarden Dollar befinden sich außerhalb des Heimatlandes. Apple-Chef Tim Cook setzte sich zuletzt in einem Interview der "Washington Post" erneut für eine Steuerreform in den USA mit einer niedrigeren Besteuerung von Auslandsgewinnen ein. Apple sei bereits jetzt der größte Steuerzahler in den USA, betonte er.
Scharfe Kritik und Drohungen
Erst in der Vorwoche hatte das US-Finanzministerium die EU-Steuerermittlungen scharf kritisiert. Die US-Regierung wollte damit den Druck auf die EU-Kommission wegen der Steuerermittlungen gegen Mitgliedsländer erhöhen, bei denen es unter anderem um die Milliarden-Nachzahlung für Apple gehen kann. Kurz vor der erwarteten Entscheidung zum Apple-Standort Irland kritisierte das Finanzministerium in Washington das Vorgehen der Brüsseler Behörde in scharfen Worten und drohte mit nicht näher beschriebenen Gegenmaßnahmen.
Die Kommission wies den Vorwurf der Amerikaner, speziell US-Firmen im Visier zu haben, am Donnerstag zurück. "EU-Recht gilt gleichermaßen für alle in Europa tätigen Unternehmen", sagte eine Sprecherin.
Die EU-Kommission prüft in mehreren bereits seit Jahren laufenden Verfahren, ob Mitgliedstaaten Unternehmen mit Steuervergünstigungen ins Land lockten. Solche Deals werden als Wettbewerbsverzerrung verfolgt. Die Firmen können dann aufgefordert werden, Steuern nachzuzahlen.
Starbucks und FiatChrysler mussten zahlen
Die Kaffeehaus-Kette Starbucks in den Niederlanden und der Autobauer Fiat Chrysler in Luxemburg sollen bereits Dutzende Millionen Euro erstatten und zogen dagegen vor Gericht. Im Fall von Apple könnte es in Irland um einige Milliarden gehen. Die Investmentbank JPMorgan schätzte den Betrag laut Medienberichten auf bis zu 19 Mrd. Dollar (16,86 Mrd. Euro).
In einem am Mittwoch veröffentlichten Papier des US-Finanzministeriums hieß es nun, die Wettbewerbsaufsicht der EU-Kommission agiere als übernationale Steuerbehörde und gefährde dadurch internationale Vereinbarungen zur Eindämmung von Steuerflucht. Die Nachzahlungen könnten zudem im Falle einer erwogenen Steuerreform die Steuerlast der Unternehmen in den USA entsprechend verringern. Das Ministerium "prüft weiterhin eventuelle Antworten, wenn die Kommission an ihrem aktuellen Kurs festhält". Die Kommission warf Irland schon offiziell vor, mit Steuervergünstigungen für Unternehmen illegale Beihilfen gewährt und so den Standort-Wettbewerb mit anderen Ländern verzerrt zu haben.