Pünktlicher als so mancher Charterflug ist Donnerstagfrüh die Iljuschin IL 62 aus dem niederösterreichischen Heidenreichstein in Graz angekommen. Der Sondertransport mit einer Länge von 70 Metern benötigte von der Grazer Nordeinfahrt bis zum Ziel rund drei Stunden und wurde von zahlreichen Schaulustigen begleitet. Bei Sonnenaufgang begann das Anheben des Flugzeugrumpfs auf sein Zwischenlager.
Dahinter verbirgt sich ja ein spektakuläres Unterfangen: Wie die Kleine Zeitung exklusiv berichtete, wird das ausrangierte Flugzeug vom Typ Iljuschin am Dach des Grazer Hotels Novapark montiert und hier künftig als Restaurant oder Eventlocation genutzt.
So rollt ein 70-Meter-Flugzeug durch Graz
Zwei Nächte lang war die ehemalige Präsidentenmaschine der Tschechoslowakei zum neuen Besitzer unterwegs. In der ersten Nacht schaffte es der überlange Transport bis Baden und hatte schon bis dort über Bundesstraßen einige Hindernisse zu überwinden: "Wir mussten Kreisverkehre und eine Eisenbahnkreuzung umbauen", schilderte Franz Sucek von der beauftragten Firma Prangl.
Millimeterarbeit war schon in Niederösterreich angesagt, aber so richtig eng wurde es Donnerstagfrüh in Graz. Kurz vor 1 Uhr kam der Tross wie geplant bei der nördlichen Stadteinfahrt an. Zunächst ging es noch flott über die vierspurig ausgebaute Wiener Straße dahin, doch bereits an der Kreuzung mit dem Kalvariengürtel musste der fünf Meter breite und viereinhalb Meter hohe Transport im wahrsten Sinne des Wortes ausscheren. Das Linksabbiegemanöver war selbst auf der groß ausgebauten Kreuzung nur mit einer Fahrt über Verkehrsinseln möglich - das Gras streifte dabei fast am Bauch des Flugzeugrumpfes.
Schon wenige hundert Meter im Schritttempo weiter wartete gegen 2.00 Uhr die nächste Kreuzung. Für das Spektakel hatten sich Dutzende Zaungäste versammelt und ihre Mobiltelefone gezückt. Aus einem Gasthaus schwärmten so manche angeheiterten Gäste aus, um die Vorbeifahrt des "Fliegers" zu sehen. Während die Logistik-Experten um die Ecke manövrierten, sammelten sich im Gastgarten des Wirts die Spritzer. "Schatzi, flieg' ma mit?", fragte ein Gast seine Liebste. Eine andere Zuschauerin meinte: "Endlich tut sich bei uns was in der Gasse."
Enges Manöver
Für die zweite Kreuzung hatten im Vorfeld bereits ein Lichtmast sowie eine Ampel vorübergehend demontiert werden müssen. Dennoch blieb das Manöver eng: Der vordere Auflieger musste auf den Gehsteig und das Rahmengerüst rund um den Flugzeugrumpf bewegte sich weniger als einen halben Meter an der Hausmauer einer Tierarztpraxis vorbei hinein in die Augasse. Als auch diese Kreuzung ohne Verzögerung geschafft war, ging es zwar nur noch geradeaus, aber über Verkehrsinseln hinweg und zwischen parkenden Autos, Verkehrszeichen und Bäume hindurch. Zahlreiche Anrainer fotografierten aus ihren geöffneten Fenstern hinaus, wobei besonders Bewohner eines ersten Stocks beste Sicht auf das Cockpit der Maschine hatten.
Mit dem Zwitschern der ersten aufwachenden Vöglein "landete" der große Vogel ohne Flügel wie geplant kurz vor 4 Uhr hinter dem Hotel Novapark. Der gesamte Transport wog laut Sucek rund 122 Tonnen, wobei der rund 50 Meter lange Rumpf mitsamt Rahmen etwa 54 Tonnen ausmachte. Am Parkdeck in etwa sieben Meter Höhe wird das Flugzeug in den kommenden Wochen wieder zusammengebaut, denn Flügel und andere Teile wurden extra transportiert. Die komplette Maschine soll in drei bis vier Wochen mit einem 500-Tonnen-Kran auf das Hoteldach in etwa 25 Meter Höhe gehievt werden.
Die Details zur weiteren Nutzung des Flugzeuges wird Hoteldirektor Ricardo Nickel im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag enthüllen. (Michael Saria/Kleine Zeitung, APA)