Ist Gunther von Hagens’ „Körperwelten“-Ausstellung mit plastinierten Leichen Geschäftemacherei auf Kosten der Menschenwürde? Oder handelt es sich um eine Schau, die Laien das Wunder des menschlichen Körpers nahebringt und damit den Wert desselben und Gesundheitsbewusstsein vermittelt? Das debattierten der Rektor der Med Uni Graz, Hellmut Samonigg, der als Kritiker auftrat, sowie der deutsche Philosoph Franz Josef Wetz beim Salon der Kleinen Zeitung mit dem Publikum. Die Gäste am Podium blieben unversöhnlich bei ihren Positionen. Die spannende Debatte über den ethischen Grenzgang der Ausstellung ist auf hier im Livestream nachzusehen.
Der Livestream zum Nachschauen:
Seit gut einem Monat hat die „Körperwelten“-Schau in der Messehalle A in Graz ihre Tore geöffnet. Die Bilanz der Veranstalter fällt durchaus euphorisch aus. „Bis jetzt waren 30.000 Besucher in der Ausstellung, und unserem Gästebuch ist zu entnehmen, dass sie begeistert waren“, sagt Silvia Strangmüller, die die Öffentlichkeitsarbeit für Gunther von Hagens' Ausstellung in Graz macht. Tatsächlich sind jene, die die Schau gesehen haben, beeindruckt. Strangmüller räumt aber auch ein: "Wer sie ablehnt, geht wohl auch nicht hin."
Die Erfolgsstory reißt jedenfalls nicht ab. Weltweit sind in den letzten Jahrzehnten durch von Hagens' Ausstellungen plastinierter Leichen mehr als 40 Millionen Besucher spaziert. Ethische Bedenken, Gerüchte, es handle sich um Hingerichtete aus China, die hier zur Schau gestellt würden, harsche Kritik an der pietätlosen Geschäftemacherei mit menschlichen Leichen und auch Versuche, diese Ausstellungen zu verbieten, konnten dem Ansturm kein Ende bereiten. Im Gegenteil - das Spiel mit dem Tabubruch - von Hagens' plastinierte auch Paare, um sie mitten im Geschlechtsakt in Szene zu setzen, schien stets auch Kalkül auf der Suche nach noch mehr Publicity zu sein.
Harte Kritik an "Horrorshow"
Hatten einst Städte wie München versucht, die Schau zu untersagen und bekämpft die Stadt Berlin derzeit eine Dauerausstellung von Plastinaten im Fernsehturm am Alexanderplatz, hat die Grazer Stadtpolitik offenbar kein Problem damit. Sind die Leichen doch auf dem städtischen Messeareal ausgestellt. Doch meldete sich kein Geringerer als der Rektor der Med Uni Graz, Hellmut Samonigg, mit scharfer Kritik am „Highlight Horrorshow“, wie er es in einem Gastkommentar in der Kleinen Zeitung formulierte und darin fragte: „Was fasziniert Besucher derart an toten Körpern, die bizarr und sogar obszön in aller Öffentlichkeit zur Schau gestellt werden? Für die Medizinische Universität Graz ist diese Art der Leichendarstellung ethisch in höchstem Maße bedenklich.“
"Die Schau feiert das Leben, nicht den Tod"
Der deutsche Philosoph Franz Josef Wetz und Ausstellungskuratorin Angelina Whalley wollten Kritikern bei der Eröffnung in Graz den Wind aus den Segeln nehmen. Die Schau feiere das Leben, nicht den Tod: „Es geht nicht darum, voll Sensationslust Leichen anzuschauen. Hier haben Laien die Chance, zu sehen, wie es in ihnen aussieht, wie alles funktioniert.“ Rurik Von Hagens, der in der Firma seines Vaters die Geschäfte führt, betont auch immer, dass man dem Wunsch der freiwilligen Körperspender nachkomme, plastiniert und ausgestellt zu werden. Zur Eröffnung in Graz kamen Anfang Juni auch Körperspender und erklärten, warum sie ihre Körper nach ihrem Tod zur Verfügung stellen.
Samonigg aber bleibt kritisch: Late-Night-Shows mit Krimi-Autoren inmitten der Leichen würden doch untermauern, es gehe hier um Grusel und Entertainment.
Bernd Hecke