Die Begleitumstände seiner ersten Olympia-Goldmedaille hat sich Marcel Hirscheranders vorgestellt. Auf die Bilder, die er als Kind vor dem Fernsehen sitzend vermittelt bekam, wartete der Skirennläufer nach dem Kombi-Titel vergeblich. Was bleibt, ist das Erreichen eines großen Zieles. Leere Stadien und kühle Siegerehrungen nehmen ihm auch nicht die Lust, noch weitere Rennen in Südkorea zu fahren.
Marcel Hirscher ist ein Mensch, der lieber das Team um sich feiern lässt, als selbst auf den Tischen zu tanzen. Marcel Hirscher ist ein Sportler, der Erfolge gut einzuschätzen weiß und tatsächlich auch mit seinen Emotionsausbrüchen sehr überlegt umgeht. Bei Olympia hätte es vielleicht eine Explosion sein können, liest man zwischen den Worten des 28-Jährigen; dass es nicht passierte, ließ Fragen offen.
Glücklich über die Heim-WM
Aus zweierlei Gründen wirkte Hirscher auch in der letzten Pressekonferenz des langen Alpinkombi-Tages und bereits mit der Goldmedaille um den Hals in sich gekehrt. "Mit der Erfahrung und glücklicherweise den weiteren Erfolgen kommt einfach so eine Zufriedenheit und Gelassenheit, was den sportlichen Erfolg betrifft, dass ich weiß, ich darf, ich muss wirklich nicht mehr. Das fährt das Ganze einfach so runter. Wenn es klappt, dann klappt es. Wenn nicht, dann nicht, deshalb war alles, was ich davor gemacht habe, kein Scheiß. Und das Gefühl ist saugut."
Andererseits packte ihn die Erkenntnis, wie glücklich er sich habe schätzen dürfen, 2013 in Schladming eine Heim-WM gehabt zu haben. "Es war ein Privileg. Das wird mir im Nachhinein erst so richtig bewusst. Es ist so ernüchternd, hier im Ziel zu sein und vor einem leeren Stadion zu stehen. Und auch die Siegerehrung war irgendwie krass. Ich habe so die Bilder und vielleicht auch eine andere Erwartung an das Ganze gehabt."
Sportliche sei alles "auf dem besten Niveau", das es gäbe. "Dennoch erinnere ich mich zurück, wie es in Schladming war, das werde ich nie vergessen, als ich da durch das Ziel gefahren bin und 50.000 haben abgedreht. Ich bin ehrlich, das fehlt. Und ich glaube, es geht euch allen gleich." Man stehe in einem Rahmen, den man so nicht kenne.
Hirscher wünscht sich Olympia in Wintersport-Regionen
Bei der Siegerehrung machte er einen Luftsprung auf das Podest, eine ÖOC-Abordnung jubelte ihm zu, eine rot-weiß-rote Flagge entdeckte er auch abseits. Hirscher versuchte in Worte zu kleiden, was in ihm vorgehe, das fiel ihm sichtlich schwer. Die Kindheitserinnerung, als er Hermann Maier vor dem Fernseher gesehen habe ("Wahrscheinlich war es Nagano, das ich gesehen habe, das mir so präsent ist, oder Salt Lake City"), sei eine andere gewesen. "Was ich da gesehen habe.... wunderbare Bilder im Kopf. Das von anderen Seite zu sehen, hat mich heute ein bisserl geflasht."
Deshalb würde es auch Hirscher begrüßen, wenn die Olympischen Spiele in die Wintersport-Regionen zurückkehren. "Ich glaube, es wäre eine coole Geschichte. Vor allem, was das Publikum betrifft, ist das Skifahrer sehr verwöhnt, Biathlon auch, Skispringen auch. Es gibt so viele Sportarten, die wirklich gewohnt sich, vor einem Megapublikum zu fahren. Ich glaube, das sich das gut machen würde, das an Orten auszutragen, wo einfach das Interesse so groß ist, wie wir es zum Beispiel bei einer Weltmeisterschaft in Schladming gehabt haben."
Hirscher war erleichtert, dem großen Druck auf seinen Schultern standgehalten zu haben und nicht daran zerbrochen zu sein. Das sei speziell. "Es ist wunderbar, die Luft ist draußen. Jetzt kann kommen, was will. Ich bin völlig erleichtert."
Wird die Goldene es für die weiteren Aufgaben im Riesentorlauf und Slalom leichter machen? "Ob ich deshalb eine Hundertstel schneller oder langsamer fahren kann, das sei dahingestellt. Fakt ist, dass ich beruhigter in die nächsten Aufgaben hineingehen kann und ruhiger schlafen werde, das auf jeden Fall. Und auch mit einer gewissen Lockerheit wieder. Sie hat nicht gefehlt, aber ich habe mir die Lockerheit härter erarbeiten müssen wie wahrscheinlich jetzt in den nächsten Tagen."