20 Jahre nach der olympischen Snowboard-Premiere in Nagano peilen Österreichs Schneebrett-Spezialisten in Südkorea Rekordspiele an. Bis auf 2002 in Salt Lake City haben sie stets Medaillen geholt, 2018 winkt durch die Hereinnahme des Big Air sowie Anna Gasser sogar eine Rekord-Ausbeute. ÖSV-Spartenleiter Chris Galler erhofft sich erstmals zumindest drei Stück Edelmetall.
Dabei verliefen die Spiele vor vier Jahren noch etwas kurios. Einen Tag nachdem Verbandspräsident Peter Schröcksnadel bei den Sotschi-Spielen seine Boarder noch als "unprofessionell" kritisiert hatte, gewann Benjamin Karl Slalom-Bronze und Julia Dujmovits krönte sich in Sotschi zu Österreichs erster Snowboard-Olympiasiegerin überhaupt.
Danach hat man im heimischen Lager nochmals zugelegt, Weltcupsiege und WM-Medaillen folgten. Vier Jahre nach Sotschi fußen nun die Hoffnungen auch auf dem Aufwärtstrend. Dazu kommt, dass man mit dem Parallel-Riesentorlauf (PGS), dem Crossbewerb sowie den Freestyle-Disziplinen Slopestyle und nun auch Big Air mehrere Medaillen-Chancen hat.
Gasser ist die Weltbeste in ihrer Disziplin
Denn Gasser ist vor allem auf der "Schanze" die aktuell Weltbeste überhaupt. Die Weltmeisterin aus Kärnten gewann zuletzt auch bei den X-Games und ist am 19. Februar in Alpensia der Maßstab. Alle anderen Bewerbe finden im Phoenix Snowpark Bokwang statt.
"Bei uns deckt sich deshalb das Ziel fast mit den Erwartungen. Nämlich dass wir in allen drei Sparten, Alpin, Cross und Freestyle, mit je einer Medaille heim fahren", sagte Galler und bezeichnete dies als "ganz und gar nicht nach den Sternen gegriffen". Erstmals soll es auch in den Sparten abseits der "Alpinen" klappen. Alle bisherigen sechs Olympia-Medaillen wurden ja von den Alpinboardern erobert.
Gallers Zuversicht beruht auf den bisherigen Saisonergebnissen. "Im Freestyle weiß jeder, dass Anna in Topform ist. Sie hat sowohl im Big Air als auch im Slopestyle realistische Chancen, in die Top 3 zu fahren. Und sie ist nervenstark."
Trotz Verletzungen haben auch Parallelboarder gute Chancen
Gleich vier Saisonsiege bringen die Parallelboarder dank Alexander Payer, Andreas Prommegger, Benjamin Karl und Julia Dujmovits mit. Insgesamt steht man dort bei gleich 13 Saison-Podestplätzen.
Dass sich Karl im Dezember das Sprunggelenk gebrochen, Dujmovits vor den Spielen am Daumen verletzt hat und Sabine Schöffmann (Beinbruch) im letzten Moment durch Daniela Ulbing ersetzt werden musste, ändert an Gallers Optimismus nichts. "Benji hat mit den Plätzen 1 und 3 in Slowenien gezeigt, was er schon wieder drauf hat. Außerdem ist er Spezialist bei Großevents." Ulbing sei Slalom-Weltmeisterin, "sie hat hier nichts zu verlieren". Dujmovits starte nicht das erste Mal mit einer Fingerblessur. "Das wird sie nicht daran hindern, auch im PGS gut zu performen."
Insgesamt, so Galler, "haben sowohl bei Damen als auch den Herren alle die Qualität, in die Top-3 zu fahren." Der Olympia-Rennhang gilt freilich als relativ "leicht". Fahrfehler sind deshalb zwar "tödlich", die Olympia-Generalprobe verlief vor allem für die ÖSV-Herren aber gut. Denn die gewann 2017 Doppelweltmeister Prommegger vor Landsmann Sebastian Kislinger.
Auch die Crosser können auf Medaillen hoffen
Bei den Crossern hat Österreich am 15. Februar in Bokwang lediglich ein Herren-Quartett am Start. Obwohl diesen Winter noch sieglos, traut Galler den Burschen angesichts von fünf Weltcup-Podestplätzen aber ebenfalls eine Medaille zu.
"Alessandro Hämmerle war in den letzten Jahren Dauergast auf dem Podium. Auch Markus Schairer kann sich bei Großereignissen immer top motivieren", verwies der Snowboard-Chef vor allem auf die beiden Routiniers aus Vorarlberg. Dazu kämen die beiden "Young Guns" Lukas Pachner und Hanno Douschan. Galler zum Rennen: "Wir haben beim Olympia-Test gesehen, dass man hier vor allem über die letzten zwei Obstacles gewinnt. Taktik wird also wichtig sein."
Die Olympia-Aussichten würden jedenfalls bestätigen, dass sich Snowboard im ÖSV zu einer Leistungsträgersparte entwickelt habe, so Galler. "So eine richtige Nullnummer hat es bei uns nie gegeben und die Wahrnehmung in den Medien und der Öffentlichkeit ist viel besser geworden. Da helfen natürlich Athleten wie Gasser, Izzy Hämmerle oder Karl, der bei neun Großevents immer am Podium gewesen ist, natürlich enorm", ist Galler überzeugt.
Galler glaubt, dass mehr als drei Medaillen möglich sind
Von jenem rebellischen Haufen, der vor 20 Jahren nach Nagano fuhr, ist man jedenfalls mittlerweile weit entfernt. "Snowboard ist eine sehr leistungsorientierte Sportart geworden", behauptet Galler. "Athleten und Trainer sind zielorientiert. Das System funktioniert sehr gut, wir haben kurze Wege und kaum Informationsverlust."
Deshalb kann sich Galler sogar vorstellen, dass 2018 auch mehr als drei rot-weiß- rote Snowboard-Medaillen möglich sind. "Wenn alle ihr aktuelle Form abrufen können und voll abpumpen, ist sogar deutlich mehr drin als eine Medaille pro Disziplinsparte."
Umgekehrt könne es freilich auch gehen. "Wir hatten im Weltcup auch drei Wettkampftage ohne Podium, das kann also genauso passieren. Aber mit unserer Vorbereitung haben wir die Wahrscheinlichkeit dafür schwer minimiert."
Für ihn sei Olympia in erster Linie ohnehin eher ein mediales Großereignis, so Galler. "Am Berg ist es am Ende wieder nur einfach ein Rennen. Nur die Anspannung ist halt eine größere. Wer das ausschalten kann, ist im Vorteil."