Im Eishockey gilt es als verpönt, vor einem Spiel Prognosen über den Spielverlauf abzugeben. Ein Schweizer, wie Roger Bader, lässt sich dazu schon gar nicht hinreißen. Der 51-Jährige, der seit 2014 für den österreichischen Nachwuchs verantwortlich ist, umschreibt es lieber. Vor der Österreich-Partie gegen die Italiener warf er einen Blick ins „Büchli“, sein legendäres Notizbuch. „Ein schnelles Umschaltspiel ist erforderlich“, prophezeit er. Denn Bader vertritt folgende Philosophie: „Ein Tor fällt in 90 Prozent der Fälle innerhalb von fünf Sekunden nach Puckgewinn.“ Beim 1:0 durch Andreas Kristler gegen die Squadra Azzura dauerte es übrigens etwa drei Sekunden. Für das entscheidende 1:0 Polens reichten etwa 2 Sekunden.
Bei der Eishockey-WM Division 1A in Kattowitz beobachtete Bader bislang die eher unbekannten Gegner wie Japan, Südkorea oder Polen. Der Schweizer achtet dabei jedoch nicht nur auf taktische Komponenten („Videoanalysen macht Teamchef Daniel Ratushny“), sondern auch, was abseits des Spielgeschehens passiert. „Wenn Ratushny eine zweite Meinung außerhalb der Kabine hören will, teile ich sie ihm mit“, erzählt Bader.
Zwei Jahre ist es her, als der ehemalige Schweizer Nachwuchs-Teamchef vom ÖEHV installiert worden ist. Bei der Heim-WM (Division 1A) erreichte er mit der U20-Auswahl völlig überraschend die Silbermedaille. In erster Linie zeichnet er sich jedoch für ein Mentoring-Programm verantwortlich, das österreichischen Trainern bei der Arbeit mit Talenten helfen soll. Denn, um sich als A-Nation zu etablieren, wäre es an der Zeit, erst im Nachwuchs den Schritt in die Elite zu schaffen, meint Bader.
Der Eidgenosse sieht auch andere Komponenten für die Probleme im Eishockey. „Hier müssen Spieler Verantwortung übernehmen und ein Powerplay dirigieren, die während der Saison nur in der dritten oder vierten Linie aufgestellt sind“, klagt Bader. Was es zu ändern gilt? „Jeder Verein entscheidet selbst. Ich würde mir wünschen, dass mehr Klubs dem Beispiel des VSV folgen und junge heimische Spieler einbauen. Sie zeigen immer wieder, dass sie die nötigen Fähigkeiten besitzen.“ Bei NLA-Klub Zürich beispielsweise, erhalte kein Trainer einen Job, wenn er nicht U18- oder U20-Spieler einsetzt, so der Schweizer. „Es ist an der Zeit, dass die Klubs Mut aufbringen und den Jungen das Vertrauen schenken.“ Erst recht, wenn ohnehin allerorts über ein schmales Budget geklagt werde. Ein weiterer Punkt liegt dem gebürtigen Winterthurer am Herzen: Die Kabinensprache in Österreich soll wieder Deutsch werden. Auch als Wertschätzung gegenüber den heimischen Spielern.
Vielleicht sollten sich einige EBEL-Trainer ebenfalls so ein Notizbuch anlegen. Denn jenes von Bader liest sich schlüssig.
MARTIN QUENDLER, KATTOWITZ